Die Oetkers - Geschaefte und Geheimnisse ber bekanntesten Wirtschaftsdynastie Deutschlands
Bielefelder Oetker-Zentrale wurde, jedenfalls was das Geschäftliche betraf, auch der deutsche Überfall auf Polen begrüßt. Die Firma Dr. Oetker hatte seit Mitte der zwanziger Jahre ein Werk in Danzig. Die Geschäfte waren aber schlecht gelaufen. »Wandel schuf erst die Niederlage Polens«, schrieb ein Firmenchronist 1940. »Seitdem steht die Firma dort im kraftvollen Aufstieg.«
Der Führer der Deutschen Arbeitsfront, Robert Ley, besichtigte den
Betrieb in Bielefeld. Der junge Mann im Hintergrund links ist
vermutlich Rudolf-August Oetker.
Sowohl in Bielefeld als auch in Hamburg produzierte Dr. Oetker während des Kriegs auf Hochtouren. Die Zweigfabrik an der Elbe erwies sich bald als zu klein. Weil das Grundstück am Altonaer Hafen keinen Platz für eine Erweiterung bot und es überdies wegen der geplanten Umgestaltung des Elbufers irgendwann aufgegeben werden musste, beschloss Kaselowsky einen Umzug. Die Stadt Hamburg bot |161| dem Unternehmen ein 15 000 Quadratmeter großes Fabrikgelände am Grünen Deich im Stadtteil Hammerbrook an. Es handelte sich um einen Gebäudekomplex, der von einer in Konkurs gegangenen Wollkämmerei genutzt worden war. Kaselowsky überzeugte sich davon, dass Gebäude und Räume in gutem Zustand waren, und kaufte das Grundstück. Es lag am Flüsschen Bille und hatte damit Anschluss an den Wasserverkehr.
1941 war es so weit, und die Belegschaft des Hamburger Zweigbetriebs konnte die Produktion in die erheblich größere Anlage verlegen. »Die Einrichtungsarbeiten im neuen Werk erlitten durch die Schwierigkeiten, die der sich allmählich verschärfende Krieg mit sich brachte, unvermeidliche Verzögerungen«, heißt es in einer Chronik dieses Betriebes. »Arbeitskräfte und Material wurden knapp, Verdunkelungsvorschriften, Fliegeralarme und die ersten Bombenschäden ließen Stockungen eintreten; aber zäh und unbeirrt wurde weitergearbeitet.«
Im Dezember 1941 konnte die Produktion am neuen Ort anlaufen. Entsprechend der Auftragslage bei Backpulver, Puddingpulver, Soßenpulver und Kindermehlstärke war die Auslastung der neuen Fabrik enorm. »Die Gesamtproduktion erreichte nach verhältnismäßig kurzer Anlaufzeit eine selbst in Friedenszeiten nicht gekannte Höhe.« 380 Arbeitskräfte waren im Einsatz, zum allergrößten Teil Frauen. Der Platz war so reichhaltig, dass Fabrikdirektor Albert Vogelsang auch einen Vortragssaal und eine Lehrküche einrichten ließ. Hamburger Hausfrauen konnten hier unter Anleitung Tag für Tag Kuchen und Plätzchen für ihre Angehörigen an der Front backen. Die Zutaten mussten sie allerdings selber mitbringen.
Die hauswirtschaftlichen Verbände animierten die Frauen und Mütter immer wieder neu, ihren Männern und Söhnen Feldpostpäckchen zu senden mit Fotos von den Lieben daheim und Selbstgebackenem: »Der Soldat wird gerade jetzt an die Kuchendüfte denken, die in der Vorweihnachtszeit das Haus durchziehen. Zu Hause kann er nicht sein, aber eine Kostprobe können wir schicken!« Der Mangel war 1941 allerdings schon deutlich spürbar: »Zwar werden wir nicht so |162| viel und so üppig backen wie in Friedenszeiten, aber trotzdem gibt es auch von weniger Zutaten sehr leckere Kuchen und Plätzchen.«
Unverzichtbar war in jedem Fall das Backpulver. Wegen der hohen Nachfrage der Wehrmacht und weil die Hausfrauen während des Kriegs mehr als zuvor selber backten, stieg der Oetker-Umsatz bis 1943 von Jahr zu Jahr. Im dritten Kriegsjahr schaltete das Unternehmen sogar Anzeigen, um den Absatz zu drosseln: »Bitte kaufen Sie Dr. Oetker Backpulver ›Backin‹ nicht über ihren jedesmaligen Bedarf, damit alle etwas bekommen können.« Wenn damals in Deutschland gebacken wurde, geschah das in zwei von drei Fällen nach Dr. Oetker-Rezepten. Bis Kriegsbeginn hatten die Backbücher, vor allem »Backen macht Freude«, eine Auflage von mehr als sieben Millionen Stück erreicht. Das Schulkochbuch war sogar über acht Millionen Mal verkauft worden.
Am 13. Januar 1941 feierte das Unternehmen in Bielefeld sein 50-jähriges Bestehen. Ein halbes Jahrhundert war vergangen, seit Dr. August Oetker in der Stadt eine Apotheke übernommen hatte, aus der dann allmählich die Fabrik hervorgegangen war. Der große Festtag begann mit einem Betriebsappell. Nachdem die Fahnen in den Saal getragen worden waren, begrüßte NS-Betriebsobmann Otto Krüger die versammelten Gäste und bat als Erstes um ein Gedenken für alle toten Soldaten, »die ihr Leben im heldenhaften Einsatz ließen,
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