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Die Oetkers - Geschaefte und Geheimnisse ber bekanntesten Wirtschaftsdynastie Deutschlands

Titel: Die Oetkers - Geschaefte und Geheimnisse ber bekanntesten Wirtschaftsdynastie Deutschlands Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruediger Jungbluth
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traditionsreichen Reederei war keine Aktion der Nationalsozialisten, sondern ein Ergebnis der Weltwirtschaftskrise. Nach dem Crash war der internationale Güteraustausch auf ein Minimum geschrumpft. Anfang der dreißiger Jahre kam die Schifffahrt fast zum Stillstand. Die deutschen Reedereien gerieten in große Schwierigkeiten. Sie hatten hohe Schulden und geringe Einnahmen. Sie mussten Kapazitäten abbauen und stärker kooperieren.
    Die großen deutschen Reedereien rückten im Zuge der Krise zusammen. Anfang 1930 erwarb der Norddeutsche Lloyd die Mehrheit der Aktien der Hamburg Süd und schloss sich anschließend mit der Hapag zusammen. Seither waren die drei größten Schifffahrtsgesellschaften in einer so genannten Hapag-Lloyd-Union vereinigt. Unter der Aufsicht ihrer Kreditgeber versuchten die Manager, die Kosten zu senken, indem sie nicht mehr benötigte Schiffe abwrackten und Seeleute entließen. Aber das half wenig. Die Krise verschärfte sich noch, als mehrere ausländische Währungen abgewertet wurden. Damit brach den Reedereien ein Großteil ihrer ohnehin schmalen Einnahmen weg, die zu rund 80 Prozent aus fremden Währungen bestanden hatten. Der Weimarer Staat zeigte ein großes Interesse am Erhalt der deutschen Handelsflotte und griff immer wieder stützend ein. Die Reedereien erhielten öffentliche Hilfen, zum Teil in Form von Subventionen, zum Teil als Kreditgarantien. Mit jeder Hilfe wuchs allerdings der Einfluss des Reichs, bis schließlich die Mehrheit der Aktien im Besitz des Staats war.
    Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten wurde der Schifffahrtskoloss schrittweise wieder auseinander genommen. Das Reichsfinanzministerium erwirkte bei den Reedereien, dass sich die Gesellschaften die Meere untereinander aufteilten. Die Regelung sah unter anderem vor, dass die Hapag und der Norddeutsche Lloyd ihre Fahrten nach Südamerika einstellten und diesen Dienst allein der Hamburg Süd überließen.
    Die NS-Regierung hatte aber kein Interesse, die direkte wirtschaftliche |177| Kontrolle über die Reedereien dauerhaft auszuüben. Als die Konjunktur anzog und sich auch die weltwirtschaftliche Lage besserte, machte sich das Finanzministerium auf die Suche nach Käufern für die Aktien. Die Beamten wurden bald in Kreisen der Hamburger Wirtschaft fündig.
    Im September 1936 gab die Vereinsbank eine Mitteilung an die Presse: »Ein hamburgisches Konsortium, das unter der Führung der Vereinsbank in Hamburg steht und dem die Commerz- und Privat-Bank AG, Hamburg, und die Firmen Nottebohm & Co., Gebrüder Schröder & Co. und Theodor Wille angehören, hat die im Besitz des Reiches befindlichen rund acht Millionen Reichsmark Aktien der Hamburg-Südamerikanischen Dampfschifffahrts-Gesellschaft (Aktienkapital zehn Millionen Reichsmark) erworben.« Es ist bemerkenswert, dass von der Firma Oetker als einem neuen Aktionär der Reederei auch zu diesem Zeitpunkt noch keine Rede war.
    Das Hamburger
Fremdenblatt
vermeldete den Aktienverkauf unter der Schlagzeile: »Hamburg Süd wieder in Privatbesitz«. Und die Wirtschaftsredakteure der
Kölnischen Zeitung
priesen die Privatisierung der Reederei als ein Beispiel für die zurückhaltende Wirtschaftspolitik der Nationalsozialisten. Die neue Staatsführung handle nach dem Grundsatz, »dass der Staat in der Wirtschaft nur zu ordnen und zu wachen habe, dass es aber Sache der Wirtschaft sei, ihre Aufgaben aus eigener Kraft und eigener Verantwortung durchzuführen«. Die Zeitung berichtete ferner, dass das Bankenkonsortium die staatliche Auflage bekommen hatte, einen Großteil der Aktien an andere Investoren weiterzugeben.
    Einer dieser Käufer dürfte dann Richard Kaselowsky gewesen sein, der damals über gute Verbindungen zur Vereinsbank in Hamburg verfügte. Überdies gibt es Indizien dafür, dass die Familien Oetker/Kaselowsky damals auch ein Aktienpaket der Vereinsbank hielten.
    Über die Motive und Modalitäten ihres Einstiegs in das Reedereigeschäft hat sich die Familie Oetker später nicht näher ausgelassen. Unstrittig ist in jedem Fall, dass die Familie in einer frühen Phase des »Dritten Reiches«, ob nun 1934 oder erst zwei Jahre später, zum Zuge |178| kam. Es ist denkbar, dass Richard Kaselowsky damals von zwei Mitgliedern des Freundeskreises Himmler auf die geschäftlichen Chancen, die die Schifffahrt bot, aufmerksam gemacht worden ist. Diesem Herrenclub gehörten mit Karl Lindemann und Emil Helfferich die Aufsichtsratschefs der beiden größten deutschen

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