Die Oetkers - Geschaefte und Geheimnisse ber bekanntesten Wirtschaftsdynastie Deutschlands
Nachkriegsjahren über das Leben des »Puddingprinzen« Rudolf-August Oetker berichteten, wurde dessen Soldatenzeit stets auf den Einsatz an der heimatlichen Verpflegungsfront verkürzt. Da war dann zu lesen, Oetker hätte in einem Berliner Werk des Unternehmens gearbeitet, obwohl es ein solches zu dieser Zeit nicht gab. Anderen Quellen zufolge soll der Konzernerbe im Hauptverpflegungspark der Waffen-SS in Berlin tätig gewesen sein.
Erst Jahrzehnte nach dem Krieg kam zufällig heraus, dass der Waffen-SS-Mann Rudolf-August Oetker keineswegs nur am Schreibtisch gesessen oder in Verpflegungsbetrieben gewesen war. Oetker hatte auch am Feldzug in Russland teilgenommen. Dieses Geheimnis lüftete er, vermutlich unbeabsichtigt, selbst. Zu seinem 70. Geburtstag lud Oetker 1986 den Journalisten Hans Baumann von der
Welt
ein, um sich festlich porträtieren zu lassen. Baumann erlebte den alten Herrn in Plauderlaune und beschrieb ihn in seinem Artikel mit dem Satz: »Er hat Freude am Erzählen, hört aber auch aufmerksam zu.« Der Journalist hörte seinerseits sehr genau hin, als der Patriarch über sein Leben berichtete, und notierte anschließend: »Heute wundert er sich, dass er überhaupt noch lebt. Im Krieg hat er in Russland mehrere Monate ganz allein unter den Russen gelebt. Erst später stellte sich heraus, dass dieses Dorf mitten in einem Partisanengebiet lag.«
Rudolf-August Oetker überstand den Krieg unversehrt. Sein jüngerer Halbbruder Richard Kaselowsky wurde durch einen Unterleibsschuss schwer verwundet. Über ihn hieß es in einem Brief 1944, er könne »infolge seines andauernden sehr schlechten gesundheitlichen Befindens auf absehbare Zeit keinerlei irgendwie geartete Aufgaben übernehmen.« Der junge Kaselowsky lebte zu dieser Zeit auf dem Gut Ebbesloh bei Bielefeld.
Kaselowsky senior hatte nach seinem Eintritt in die Firma Oetker einen Vertrag unterzeichnet, in dem er sich verpflichtet hatte, die Führung des Unternehmens abzugeben, sobald Rudolf-August Oetker das |174| 27. Lebensjahr vollendet hatte. Der Zeitpunkt war aus symbolischen Gründen gewählt worden. 27 Jahre alt war Dr. Rudolf Oetker gewesen, als sein Leben 1916 in Verdun ausgelöscht worden war. Sein Sohn sollte nach dem Wunsch der Großmutter den Weg weitergehen, der dem Vater vorgezeichnet gewesen war.
Aber als der Tag der geplanten Übergabe im September 1943 kam, war an einen Rückzug Kaselowskys nicht zu denken. Rudolf-August Oetker war Soldat in der Waffen-SS. Und unter den erschwerten Bedingungen des Kriegs hätte die Familie auch sonst wohl nicht auf die Erfahrung und die Verbindungen des langjährigen »Betriebsführers« Kaselowsky verzichten mögen.
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13. »Ich kaufe die Aktien«
Expansion während der NS-Zeit
R ichard Kaselowsky begeisterte sich von Jugend an für die Schifffahrt. Im Laufe der Jahre hatte er eine Sammlung von Schiffsmodellen zusammengetragen. 1928 hatte er aus der Leidenschaft erstmals ein Geschäft gemacht und sich an einem Tankschiff namens »Winnetou« finanziell beteiligt. Das Interesse an der Frachtschifffahrt hing durchaus mit dem Stammgeschäft zusammen. Die Nahrungsmittelfirma Oetker importierte ja seit Jahrzehnten eine Vielzahl von Rohstoffen aus Übersee.
So lag es nicht ganz fern, dass das Bielefelder Unternehmen in das Reedereigeschäft einsteigen könnte. Die genauen Umstände dieses Einstiegs sind allerdings unklar. 1934 soll die Firma Dr. August Oetker ein Viertel aller Aktien an der Hamburg-Südamerikanischen Dampfschifffahrts-Gesellschaft AG erworben haben. So stellt es die Hamburg Süd, die heute vollständig im Besitz der Familie Oetker ist, in ihren Chroniken dar.
Das Datum des Einstiegs ist mit ziemlicher Sicherheit falsch. Nach den Recherchen von Joachim Wölfer, Autor eines 1977 erschienenen Buches über die Geschichte der Reederei, sind Kaselowsky und die Oetkers erst 1936 bei der Hamburg Süd eingestiegen. Bis zu diesem Zeitpunkt seien 90 Prozent der Aktien im Staatsbesitz gewesen. Dann habe das Reichsfinanzministerium sie an private Investoren verkauft. Käufer der Aktien seien die Vereinsbank in Hamburg und einige ihrer Aktionäre gewesen, zu denen Richard Kaselowsky gezählt habe. Diese Darstellung ist im Kern zutreffend. Laut Geschäftsbericht wurde Kaselowsky erst am 30. Juni 1937 in den Aufsichtsrat gewählt.
|176| Wie war der NS-Staat in den Besitz der Schifffahrtsaktien gekommen? Und warum hat er sie dann wieder verkauft? Die Verstaatlichung der
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