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Die Oetkers - Geschaefte und Geheimnisse ber bekanntesten Wirtschaftsdynastie Deutschlands

Titel: Die Oetkers - Geschaefte und Geheimnisse ber bekanntesten Wirtschaftsdynastie Deutschlands Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruediger Jungbluth
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das gleiche Schicksal erlitten wie sein Vater, der bereits bei seiner Geburt Halbwaise war.
    Im Zweiten Weltkrieg warfen Amerikaner und Briten insgesamt |196| 1,4 Millionen Tonnen Bomben auf Deutschland. Der größte Teil davon fiel in den letzten neun Monaten des Kriegs. Eine halbe Million Deutsche fiel diesen Luftangriffen zum Opfer. Unter ihnen waren vier Mitglieder der Familie Oetker-Kaselowsky.
    Der 30. September 1944 war ein sonniger Herbsttag in Westfalen. Die US-Bomber kamen an diesem Samstag aus heiterem Himmel. Niemals zuvor hatten die Alliierten Bielefeld mit so vielen Flugzeugen aus der Luft angegriffen. Wollten sie die Bahnanlagen treffen oder wollten sie Terror verbreiten? Als die Bomben ab etwa 14 Uhr auf die Stadt niederprasselten, zertrümmerten sie große Teile im historischen Kern und in der Neustadt.
    Bei dem Angriff erhielt das Gundlach-Werk mehrere Treffer. Dort war an diesem Samstag noch eine Stunde zuvor gearbeitet worden. Als die Bomber kamen, waren nur noch einige Handwerker im Druckereibetrieb. Einer von ihnen kam ums Leben. Das Kesselhaus erhielt einen Volltreffer, der die Stromversorgung unterbrach. »Bielefeld war in eine schwarze Wolke gehüllt«, erinnerte sich Kurt Uthoff, der damals Lehrling bei Gundlach war. »Obwohl die Sonne schien, war sie hinter den Rauchschwaden nicht zu erkennen.«
    In Bielefeld mangelte es zu dieser Zeit an öffentlichen Schutzräumen. Viele Bürger hatten die Keller ihrer Häuser mit Holzstützen befestigt. Auch Richard Kaselowsky hatte unter seiner Villa Am Johannisberg 10 einen Luftschutzraum einrichten lassen. Als die Sirenen heulten, war die Familie des Unternehmers in den Keller der Villa geflüchtet. Dort harrte sie aus. In dem Gewölbe saßen neben den Eheleuten Ida und Richard Kaselowsky ihre beiden gemeinsamen Töchter. Ilse Broelemann war 24 Jahre alt und mit einem Bielefelder Unternehmenserben verheiratet. Ihre Schwester Ingeborg Kaselowsky war 17. Ein Treffer auf das Haus löschte das Leben dieser vier Menschen schlagartig aus.
    Wahrscheinlich war es ein Volltreffer. Es gibt aber auch einen Hinweis darauf, dass der Familie die Kohlevorräte zum Verhängnis wurden. Wie das in vielen Häusern zu dieser Zeit üblich war, lagerten auch die Kaselowskys im Keller ihre Kohlen, obwohl es verboten war. |198| Wohin hätte man sie auch auslagern sollen? Die Gefahr wurde vielfach unterschätzt. Zahllose Menschen starben im Zweiten Weltkrieg nach einem Bombenangriff im Keller, ohne verschüttet worden zu sein. Sie erstickten an Brandgasen wie Kohlenmonoxid. Häufig hatten die Kohlen in der Hitze zu schwelen begonnen. Dass das auch der Familie Kaselowsky widerfuhr, ist wahrscheinlich. Denn es ist anzunehmen, dass der Fabrikant Kaselowsky mit seinen Möglichkeiten den Keller der Villa bombensicher gemacht hatte. In aller Regel trugen die Keller die Last eines darüber in Trümmer zerfallenden Hauses, wenn die Decken mit Eisen- oder Holzstempeln abgestützt waren.
    Richard Kaselowsky, hier in Uniform und mit Parteiabzeichen, kam 1944
bei einem Luftangriff der Alliierten ums Leben.
    |198| Mit den Kaselowskys starben in Bielefeld 600 Menschen. Der Betriebsführer der Firma Oetker war das prominenteste Opfer. Die Nachricht von seinem Tod machte die Runde. Richard Kaselowsky war 56 Jahre alt, als er starb. Ein Zufall wollte, dass der Oetker-Betriebsführer fast auf den Tag genau so alt wurde, wie der Unternehmensgründer August Oetker. Beide Männer starben überdies wenige Monate vor dem Ende eines mehrjährigen Kriegs.
    Die Todesanzeige für die Familie Kaselowsky begann mit den damals gebräuchlichen Worten: »Durch einen Terrorangriff wurden uns genommen …« Die Nachricht vom Tod Kaselowskys drang bis nach Berlin. Dort hielt es der Freundeskreis-Organisator Kranefuß im Oktober 1944 für angebracht, Heinrich Himmler über den Tod des Unternehmers zu informieren. Kranefuß richtete sein Schreiben aber nicht direkt an den Reichsführer SS, sondern an dessen Referenten, den SS-Standartenführer Dr. Rudolf Brandt. Weil es sich bei der Mitteilung also um einen SS-internen Vorgang handelte, dürfte Kranefuß’ Einschätzung ehrlich gewesen sein: »Herr Dr. Kaselowsky gehörte bekanntlich dem Freundeskreis an und hat sich, wenn er auch nicht einer unserer alten Freunde aus der Zeit vor der Machtübernahme war, dort außerordentlich bewährt. In menschlicher wie sachlicher Hinsicht ist er, wie man es nur von sehr wenigen Wirtschaftsführern sagen kann, ein Vorbild

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