Die Oger - [Roman]
schwer daran gewöhnen, nachts zu reisen und tagsüber zu schlafen. Cindiel erging es ähnlich. Rator und seinen Trupp hingegen schien es nicht zu kümmern. Sie liefen die ganze Nacht, machten kaum Halt, und tagsüber hatten sie ständig vier Wachen aufgestellt. Sobald sie Zeit hatten, sich auszuruhen, kümmerten sie sich zuerst um ihre Ausrüstung und schärften ihre Waffen, anstatt zu schlafen. Sie waren ganz und gar Krieger, und alles was sie taten, erledigten sie auf militärische Art und Weise. Sie aßen zur selben Zeit, sie tranken zur selben Zeit. Beim Laufen hielten sie eine strenge Reihenfolge ein. Im Gegensatz zu den umherstreunenden Ogern, die als Einzelgänger lebten, bildeten sie eine verschworene Einheit.
Mogda konnte es nicht genau erklären, aber seit ihrem Aufbruch letzte Nacht schienen die Kriegsoger angespannt zu sein. Wann immer es sich ergab, prüften sie die Windrichtung, tasteten den Boden ab und überprüften die Laufrichtung anhand der Sterne. Außerdem hatten sie das Tempo erhöht.
Zwei Stunden noch, dann würde es endlich hell werden, und er und Cindiel bekämen ihre wohlverdiente Pause. Cindiel saß wie gewohnt auf seinen Schultern. Das Gewicht des Mädchens war für ihn keine Belastung. Er war es aus der Vergangenheit gewohnt, mit geschultertem Gepäck zu reisen, und Schafe und Ziegen waren weitaus unkooperativer beim Transport.
Während sie liefen, sagte sie kein Wort. Die ewigen Erschütterungen machten es schwer zu reden, und Mogda begrüßte diesen Umstand. Die kühle Luft der Nacht erfrischte ihn auf angenehme Weise. Der Untergrund der Roten Wüste war eben und fest. Man musste nicht auf jeden Schritt achten. Die Gefahr, über ein Hindernis zu stürzen, war äußerst gering. Hier gab es nur einige Tierskelette und vereinzelte Sträucher, und beides konnte einen Oger nicht zu Fall bringen.
Kurz vor Sonnenaufgang stoppte der Trupp. Mogda ließ Cindiel von den Schultern gleiten und löste sein Paket mit der Wachsdecke. In den Tagen zuvor hatten sie Erdlöcher gegraben und die Planen darüber gespannt. Die Wärmeentwicklung darunter war nur schwer zu ertragen, aber für den Vorteil einer perfekten Tarnung nahm man vieles in Kauf. In diesem Abschnitt des Landes würde ein Oger auffallen, wie ein Segelschiff an einem stillen Horizont.
»Kein Lager«, unterbrach Rator Mogdas Vorbereitungen.
»Wieso, dieser Platz ist genau sogut wie jeder andere«, konterte Mogda.
»Nein! Laufen weiter bis Nelbor. Fünf Meilen vor uns Orkarmee.«
»Wir könnten hier rasten und das Heer morgen Nacht umgehen.«
»Keine Zeit für Rast. Verfolger kommen näher.«
»Verfolger?«, fragte Mogda verdutzt. Ihm war unverständlich, wie Rator zu der Annahme kam, sie würden verfolgt werden. Seit ihrer Flucht hatten sie kein einziges Lebenszeichen gesehen. Keine Signalhörner waren zu hören, ebenso kein Feuer oder Rauch zu entdecken. Wer sollte also verrückt genug sein, hinter ihnen herzulaufen?
»Wer verfolgt uns?«
»Weiß nicht und wollen auch nicht wissen.«
»Orks vielleicht?«, hakte Mogda nach.
»Nein, langsamer als Orks.«
»Dann haben wir es doch gar nicht so eilig. Wir sind allemal schneller.«
»Verfolger nicht schnell, aber nie Rast. Nicht nachts, nicht tags.«
»Rator, ich will dir nicht sagen, wie du uns führen sollst, aber du willst mir ernsthaft erzählen, uns verfolgt jemand, der nie schläft, nicht isst und ständig in Bewegung bleibt?«
»Du schnell begriffen.«
»Na, den würde ich mir gern mal ansehen«, sagte Mogda und zog spöttisch eine Augenbraue hoch.
»Ich nicht«, entgegnete Rator humorlos. »Du können warten hier.«
Er drehte sich um und ließ Mogda einfach stehen.
Mogda rollte seine Plane wieder zusammen und gönnte sich noch einen Schluck Wasser. Danach kramte er in einer Tasche und zog ein Stück Dörrfleisch heraus. Die Provianttasche war ein Geschenk von Kruzmak und hatte, wie er sagte, einem toten Kameraden gehört. Nach einem gierigen Bissen hielt er Cindiel den Rest hin. Sie schüttelte nur den Kopf, worauf Mogda achselzuckend das übrige Stück auch noch verschlang.
Er hielt ihr die Hand hin und half ihr auf seine Schultern. Sie sah erschöpft aus. Aber er konnte es nicht ändern: Wenn Rator sagte, sie mussten weiter, ging es nicht anders. Er wusste, was zu tun war. Ohne ihn hätten sie die Wüste nie verlassen können.
Cindiel tätschelte seinen Kopf als Zeichen dafür, dass sie bereit zum Aufbruch war.
Mogda wunderte sich über das Vertrauen, das ihnen
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