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Die Oger - [Roman]

Die Oger - [Roman]

Titel: Die Oger - [Roman] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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Gitternetz von Tunneln. Ab und an ließ sie sich von einem der Oger hochheben, um einen Blick durch die Löcher der Kanalabdeckungen zu werfen. Sie suchte bekannte Straßenzüge oder Ladengeschäfte. Auf den Straßen herrschte der Trubel des Tages. Karren wurden umhergezogen, Fuhrwerke polterten über das Kopfsteinpflaster und zwischendurch drängten sich geschäftige Leute. Niemand ahnte etwas von den Kolossen, die sich nur wenige Schritt unter ihnen befanden. Die Einzigen, die etwas bemerkt zu haben schienen, waren die Pferde. Man hörte sie scheuen, wenn sie in die Nähe eines Einstiegs kamen. Aber niemand maß dem eine Bedeutung bei. Drohende Gefahren wurden entweder von den Stadtwachen ausgerufen oder sie existierten für die Menschen nicht.
    Nach zwei Fehlversuchen hatte Cindiel den richtigen Ausstieg erreicht. Mogda hob das Mädchen dicht unter den Deckel, damit es erkennen konnte, ob jemand auf dem Hinterhof zugegen war. Es war ruhig. Keine Schritte, kein Arbeitslärm waren zu hören. Der Innenhof war von der Straße aus nicht einzusehen. Die Leute, die hier wohnten, hatten keine Geschäfte, und somit wurde der Platz auch nur selten genutzt.
    »Es ist alles in Ordnung. Schieb den Deckel beiseite und lass mich raus. Dann verschließt ihr ihn wieder und wartet, bis ich wiederkomme.«
    Mogda folgte ihren Anweisungen, und Cindiel kroch nach oben. Als sie sich vergewissert hatte, dass der Einstieg wieder richtig verschlossen war, ging sie auf den Hintereingang des Hauses zu. Es war seltsam, die Fensterläden waren geschlossen, und auch die Tür, die ihre Großmutter immer offen stehen ließ, war verriegelt. Cindiel bückte sich und rollte einige Steine vor der Wand des Hauses beiseite. Da war er, der Schlüssel, den ihre Großmutter für Notfälle hier versteckt hielt. Schloss und Schlüssel waren durch den seltenen Gebrauch schwergängig, aber schließlich entriegelte sich die Tür. Ein seltsam muffiger Geruch schlug Cindiel entgegen. Es roch nach abgestandenem Wasser, nach Algen, wie in der Hafengegend einer Stadt an einem heißen Tag. Es war ein Geruch, der hier nicht hergehörte. Die Wohnung war komplett abgedunkelt. Cindiel begann, die Fensterläden zu öffnen, um den Geruch zu vertreiben und Licht in das Haus zu lassen. Als sie das Innere des Hauses erkennen konnte, erschrak sie. Die Regale waren leer geräumt, die Teppiche aufgerollt und die Möbel zusammengestellt. Hier sah es aus, wie bei jemandem, der ausziehen wollte oder ...
    »Kleine, wo kommst du denn her?«
    Cindiel zuckte zusammen und schaute erschrocken zur Hintertür. Dort stand Frau Mergil, die Nachbarin. Eine überaus beleibte Frau, die die Angewohnheit besaß, nicht nur ständig auf irgendeinem Obststück herumzukauen, sondern auch alle Neuigkeiten der Stadt in sich aufzusaugen wie ein Schwamm. Zum Nachteil ihrer Figur schaffte sie es nur, die Gerüchte wieder unter die Leute zu bringen, nicht aber die angefutterten Pfunde. Sie stand auf der obersten Stufe zum Hauseingang, und es war unklar, ob die gebührende Höflichkeit oder ihre Figur sie daran hinderten, das Haus zu betreten. Eigentlich fand Cindiel Frau Mergil recht sympathisch, wenn auch etwas aufdringlich.
    »Was ist hier los, Frau Mergil? Wo ist meine Großmutter?«
    »Ach Kind, wo warst du nur? Wir dachten, diese Monster aus dem Norden hätten dich auch entführt. Deine Großmutter hat ja nichts gesagt. Sie ist mir förmlich aus dem Weg gegangen. Immer diese Geheimniskrämerei. Wenn sie sich niemandem anvertraut, dann kann man ihr auch nicht helfen. Vor drei Tagen waren sogar schon die Wachen hier. Ich wusste ja nicht, dass es so schlimm war, sie hat ja nichts gesagt. Ich hab überall herumgefragt, aber keiner wusste, wo du warst. Dann hab ich mir überlegt, am besten packe ich schon mal die Sachen zusammen. So kannst du hier ja nicht weiter wohnen. Was ist denn bloß passiert?«
    »Wo ist meine Großmutter?« Cindiel standen die Tränen in den Augen. Frau Mergil hatte zwar nicht gesagt, dass etwas Schlimmes geschehen war, aber an ihrem ausschweifenden Drumherumreden erkannte sie, dass etwas vorgefallen sein musste.
    »Ach Kindchen, es tut mir so leid, dass du es von mir erfahren musst. Deine Großmutter ist gestern Morgen gestorben. Es war ein Verbrechen.«
    Tränen rannen Cindiel über das Gesicht. Das konnte nicht sein. Das durfte nicht sein. Ihre Großmutter hatte niemandem etwas getan, und sie besaß nichts, wofür es sich lohnen würde, einen Mord zu begehen. Cindiel konnte es

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