Die Oger - [Roman]
und ihr Versprechen Cindiel gegenüber ließen ihnen ohnehin keine andere Wahl.
Sie näherten sich der Ostseite der Stadt. Trotz vereinzelter Wachen auf der Stadtmauer blieben sie unentdeckt. Cindiel machte sie auf eine Ansammlung von Felsbrocken aufmerksam. An dieser Seite der Stadt hatte man darauf verzichtet, ein Gitter vor dem Eingang zur Kanalisation anzubringen. Man hatte einfach Findlinge von den nahe gelegenen Feldern vor dem Tunneleingang platziert und damit den Zugang zur Stadt blockiert. Mit der Möglichkeit einer herumirrenden Bande Oger, die mit solchen Felsen normalerweise Steinstoßwettbewerbe abhielten, hatte man hier nicht gerechnet.
Noch vor Sonnenaufgang war der Eingang freigelegt. Sie hatten die Steine an den Seiten der Kanalisation neu aufgestapelt, um keinen Verdacht zu erregen.
Cindiel wollte die Oger in die Kanäle begleiten. Mogda missfiel der Gedanke, sich durch die engen, schmutzigen Tunnel zu zwängen, während über ihnen die Bürger der Stadt ihren täglichen Bedürfnissen nachgingen.
»Warum warten wir nicht hier, und du gehst einfach durch das Stadttor? Du wohnst schließlich in Osberg.«
Cindiel schüttelte entschieden den Kopf.
»Ich habe hier gewohnt, bis ich von euch entführt wurde. Was soll ich bitte schön den Stadtwachen am Tor sagen, wo ich herkomme? Sie werden sicherlich fragen. Wenn sie herausfinden, dass mir die Flucht geglückt ist, bringen sie mich zu Lord Felton, dem ich Rede und Antwort stehen muss. Und selbst wenn sie mich passieren lassen, meine Großmutter wohnt in der Nähe des Tempels, fast im Zentrum der Stadt, bis dorthin erkennt mich sicherlich jemand und stellt Fragen.«
Mogda hatte sich schon wieder abgewandt. Er meinte es nur gut, hauptsächlich zwar mit sich, aber es lohnte nicht, sich Cindiels Redeschwall zu stellen. Trotzdem hörte sie nicht auf zu reden.
»Wir folgen der Kanalisation eine halbe Meile in westlicher Richtung, dann müssten wir fast dort sein. Ich will zuerst mit meiner Großmutter reden, sie wird wissen, was zu tun ist.«
Im Hinterhof des Hauses von Cindiels Großmutter gab es einen Schacht zur Kanalisation. Bis dorthin würden sie gehen. Die Oger würden dort auf sie warten, bis Cindiel mit ihrer Großmutter geredet und Hilfe organisiert hatte. Sie hatte sich alles genau überlegt. Mit etwas Glück könnten Mogda und die anderen in der nächsten Nacht schon weiterreisen. Ihre Großmutter war eine verständnisvolle Frau, die üblicherweise keine Vorurteile besaß. Cindiel hoffte, dass Oger in diese Toleranz eingeschlossen waren.
Bevor sie tiefer in die Kanalisation eindrangen, legten sie noch eine kleine Rast ein. Das Tageslicht sollte ihnen helfen, sich besser hier unten zurechtzufinden. Auch wenn es nur spärlich in die Schächte eindrang, genügte es, sich hier zu orientieren. In der freudigen Erwartung, ihre Großmutter bald wiederzusehen, lief Cindiel ständig hin und her und schaffte es beinahe, Rator damit aus der Fassung zu bringen. Diese Unterbrechung ihrer Reise kurz vor dem Ziel war ein Martyrium für sie. Aber sie war notwendig.
»Warum hier kein Wasser?«, fragte Rator Cindiel, um sie abzulenken.
»Wahrscheinlich haben sie die Sammelbecken geleert, um die Abflüsse durchzuspülen«, erklärte sie. »Das tun sie ab und zu, um den ganzen Dreck rauszuschwemmen. Die Abwässer sammeln sich dann erst wieder in den Becken, bis sie voll sind, und dann steht in den Kanälen auch wieder Wasser. Warum willst du das wissen? Ich glaube nicht, dass sie dir hier unten Arbeit geben würden. Du bist zu groß.«
Mogda konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Aber er wandte sich ab, damit es keiner sah.
»Wollte auch nicht Arbeit. Bin froh, dass sie gemacht haben«, sagte Rator trocken.
»Wieso?«
»Sonst sie dich weggespült«, lachte er.
Das war seit dem Vorfall im Drachenhorst das erste Mal, dass Rators Anspannung nachließ.
Sein Lachen wirkte ansteckend. Die Erleichterung griff auf die anderen über, die verhalten einstimmten. Selbst Cindiel konnte sich nicht mehr zurückhalten. Sie genoss es, wurde aber dadurch an Hagrim erinnert, mit dem sie früher auch viel Spaß gehabt hatte. Und schon wich die Erleichterung wieder der Sorge um ihre Freunde.
In der Kanalisation führte Cindiel die Gruppe an. Sie kannte sich hier zwar auch nicht besser aus als die Oger, aber die grobe Richtung zum Haus ihrer Großmutter war ihr Orientierung genug. Die Oger folgten ihr schweigsam in gebückter Haltung.
Die Kanalisation war ein dichtes
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