Die Operation
Prototyp des streitsüchtigen Betrunkenen, der sich gegen alle Versuche, ihn zur Besinnung zu bringen, zur Wehr setzt.
Stephanie, Paul und Spencer kamen in den Operationssaal gerannt, noch während sie mit ihren Schutzmasken kämpften. Sie halfen mit, Ashley niederzuhalten, sodass Marjorie seine Handgelenke festbinden und Daniel seine Beine wieder gerade drücken konnte. Dr. Newhouse hatte die Hände frei und überprüfte Ashleys Blutdruck. Das Piepsen der Herzüberwachung war deutlich schneller geworden. Marjorie ging kurz hinaus, um ein paar Ledermanschetten für die Fußgelenke zu holen.
»Es ist alles in Ordnung«, wiederholte Dr. Nawaz, nachdem sie Ashley unter Kontrolle gebracht hatten. Er blickte unverwandt in das trotzige, wütende Gesicht des Mannes, das vor Anstrengung knallrot angelaufen war. »Sie müssen sich beruhigen! Wir müssen noch den kleinen Schnitt verschließen, dann sind wir fertig. Dann können Sie auch aufstehen. Haben Sie mich verstanden?«
»Ihr seid doch alle ein Haufen Perverser. Runter von mir, verflucht nochmal!«
Dass Ashley im Operationssaal solch unangemessene und anstößige Worte ausstieß, verblüffte die anderen fast so sehr wie sein plötzliches körperliches Aufbäumen. Einen Herzschlag lang war keine Bewegung und kein Laut wahrzunehmen.
Dr. Nawaz hatte sich als Erster wieder gefangen. Jetzt, wo er sich sicher sein konnte, dass Ashley gefesselt war, konnte er auch Ashleys Schoß freigeben. Dabei konnten alle sehen, dass Ashley eine Erektion hatte, die das darüber gebreitete Tuch zum Zelt werden ließ.
»Bitte, binden Sie meine Hände und meine Füße los«, sagte Ashley mit tränenerstickter Stimme und begann zu weinen. »Sie bluten.«
Sofort starrten alle auf Ashleys Hände und Füße, besonders Daniel, der immer noch Ashleys Knöchel festhielt, während Marjorie mit dem Anlegen der Fußmanschetten beschäftigt war.
»Es ist kein Blut zu sehen«, sagte Paul stellvertretend für alle im Raum. »Was redet er da?«
»John, hören Sie mir zu!«, sagte Dr. Nawaz. Er hielt noch immer das Tuch in der Hand, sodass Ashleys Gesicht bis zu den Augenbrauen zu sehen war. »Ihre Hände und Füße bluten nicht. Es geht Ihnen gut. Sie müssen sich nur noch ein paar Minuten lang entspannen, damit ich alles fertig machen kann.«
»Ich heiße nicht John«, sagte Ashley mit weicher Stimme. Die Tränen waren so schnell verschwunden, wie sie gekommen waren. Er klang zwar immer noch betrunken, wirkte aber plötzlich sehr friedlich.
»Wie heißen Sie dann, wenn nicht John?«, fragte Dr. Nawaz.
Daniel blickte besorgt zu Stephanie hinüber, die einen Schritt vom OP-Tisch zurückgetreten war, nachdem sie geholfen hatte, Ashleys eine Hand festzubinden. Daniel war jetzt nicht nur aufgewühlt, sondern hatte auch noch Angst, dass Ashley in seinem medikamentösen Rausch seine wahre Identität preisgeben könnte. Er hatte zwar keine Ahnung, was das letztendlich für das ganze Projekt bedeuten würde, aber gut war es garantiert nicht, nach all der Geheimniskrämerei, die bisher erforderlich gewesen war.
»Ich heiße Jesus«, sagte Ashley sanft und schloss selig die Augen.
Die meisten im Saal waren erneut sprachlos und tauschten fassungslose Blicke aus. Nicht so Dr. Nawaz. Als Reaktion auf Ashleys Äußerung erkundigte er sich bei Dr. Newhouse, welche Beruhigungsmittel er dem Patienten vor dem Eingriff gegeben hatte.
»Diazepam und Fentanyl, intravenös«, lautete Dr. Newhouses Antwort.
»Wäre es möglich, ihm jetzt sofort noch eine Dosis zu verabreichen?«
»Natürlich«, sagte Dr. Newhouse. »Soll ich?«
»Bitte«, sagte Dr. Nawaz.
Dr. Newhouse zog die Schublade seines fahrbaren Narkoseschränkchens auf, nahm eine neue Spritze heraus und riss die Verpackung auf. Mit geübten Handgriffen zog er das Mittel auf und injizierte es über die bereits gelegte Infusionsnadel.
»Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun«, sagte Ashley, ohne die Augen aufzuschlagen.
»Was ist denn hier los?«, fragte Paul in gezwungenem Flüsterton. »Hält der Kerl sich jetzt für Jesus Christus? Denkt er, dass er gekreuzigt wird?«
»Ist das vielleicht irgendeine abstruse Nebenwirkung der Medikamente?«, fragte Spencer.
»Das bezweifle ich«, sagte Dr. Nawaz. »Aber was immer die Ursache sein mag, es ist aufjeden Fall ein Anfall!«
»Anfall?«, fragte Paul ungläubig. »So einen Anfall habe ich noch nie gesehen!«
»Man nennt das einen Parietallappen-Anfall«, sagte Dr. Nawaz, »besser bekannt
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