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Die Operation

Titel: Die Operation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Cook
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gefährdet.«
    »Warum haben Sie mir das nicht gleich erzählt?«, tobte Dr. Nawaz.
    »Haben wir doch gemacht«, sagte Paul.
    »Sie haben gesagt, der Tisch hätte den Türrahmen gestreift. Das ist etwas ganz anderes als ein Aufprall, der zur Folge hat, dass der Kopf nach vorne geschleudert wird.«
    »Na ja, ›geschleudert‹ ist ein bisschen übertrieben«, warf Dr. Newhouse ein und korrigierte sich damit selbst. »Der Kopf des Patienten ist nach vorne gesackt. Aber ist anschließend nicht wieder zurückgeknallt oder so was in der Art.«
    »Großer Gott!«, murmelte Dr. Nawaz entmutigt. Er ließ sich auf einen Schreibtischstuhl fallen. Dann zog er mit der einen Hand seine Kopfbedeckung ab und griff sich mit der anderen an den Kopf, den er frustriert schüttelte. Er konnte es nicht glauben, dass er tatsächlich zugelassen hatte, in solch ein albernes Possenspiel verwickelt zu werden. Jetzt war ihm klar, dass der stereotaktische Rahmen sowohl leicht verdreht als auch nach unten gekippt worden sein musste, entweder beim Aufprall selbst oder als die Schwester danach gegriffen hatte.
    »Wir müssen etwas unternehmen«, sagte Daniel. Es hatte einen Augenblick gedauert, bis er sich von der Enthüllung der Kollision des OP-Tischs mit dem Türpfosten und deren möglicherweise tragischen Konsequenzen erholt hatte.
    »Und was schlagen Sie vor?«, fragte Dr. Nawaz höhnisch. »Wir haben versehentlich eine Masse eigenständiger, Dopamin produzierender Zellen im Schläfenlappen dieses Mannes implantiert. Wir können jetzt nicht einfach wieder reingehen und sie raussaugen.«
    »Nein, aber wir können sie zerstören, bevor sie sich dort verwurzeln«, sagte Daniel, während in seiner Vorstellung ein Hoffnungsschimmer aufflackerte. »Wir haben ja noch den monoklonalen Antikörper für das eindeutig unterscheidbare Oberflächenantigen. Anstatt nun diesen Antikörper mit einem Schwermetall zu markieren, so wie wir es zur Sichtbarmachung unter Röntgenstrahlung gemacht haben, markieren wir ihn mit einem zytotoxischen Element. Dann injizieren wir diese Kombination in die Rückenmarksflüssigkeit, und bumm! Die verirrten Neuronen werden vernichtet. Dann nehmen wir einfach noch eine Injektion vor, auf der linken Kopfseite des Patienten, und können alle zufrieden nach Hause gehen.«
    Dr. Nawaz strich sich die glänzenden schwarzen Haare zurück und dachte einen Augenblick lang über Daniels Vorschlag nach. Der Gedanke, eine Katastrophe, an der er ein gehöriges Maß an Mitschuld trug, wieder korrigieren zu können, war verführerisch, auch wenn die Methode unorthodox war. Aber andererseits sagte ihm seine Intuition, dass er sich nicht schon wieder zu einem dermaßen experimentellen Eingriff verleiten lassen sollte.
    »Haben Sie diese zytotoxische Antikörper-Kombination denn hier?«, fragte Dr. Nawaz. Fragen schadete ja nichts.
    »Nein«, gestand Daniel. »Aber ich bin sicher, das Labor, von dem wir auch die Antikörper-Schwermetall-Kombination bezogen haben, könnte sie innerhalb kürzester Zeit herstellen und uns per Kurier zustellen.«
    »Also gut, dann lassen Sie mich wissen, ob und wann Sie es bekommen«, sagte Dr. Nawaz und erhob sich. »Gerade eben habe ich gesagt, wir können nicht wieder hineingehen und die verirrten Aktivzellen herausholen. Die traurige Ironie besteht jedoch darin, dass der Patient, falls wir nichts unternehmen und er von der zu erwartenden Schädellappen-Epilepsie befallen wird, irgendwann in nächster Zukunft genau so etwas wird durchmachen müssen. Aber das wäre dann eine schwer wiegende, neurochirurgische Operation, bei der unter hohem Risiko eine erhebliche Menge Gehirnmasse entfernt werden müsste.«
    »Das unterstreicht noch einmal, wie sinnvoll mein Vorschlag ist«, sagte Daniel, der immer mehr Gefallen an seiner Idee fand.
    Stephanie stieß sich abrupt von der Arbeitsplatte ab und stürzte auf die Tür zu. Ungeachtet ihres emotional labilen Zustandes und ihrer Angst vor der Aufmerksamkeit der anderen war sie nicht mehr in der Lage, auch nur ein weiteres Wort dieses Gespräches mit anzuhören. Es kam ihr vor, als drehte sich die Konversation um ein lebloses Objekt und nicht um einen Mitmenschen, der durch das Wirken der Ärzte in eine grausame Lage gebracht worden war. Besonders angewidert war sie von Daniel, weil sie merkte, dass er sich trotz der schrecklichen Komplikationen immer noch wie ein moderner Machiavelli der Medizin aufführte, der, blind für die moralischen Konsequenzen seines Handelns, nur

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