Die Ordensburg: Elfenritter 1 - Roman
Löwe mehr.
Unten aus dem Schlamm rief der Rothaarige seiner Mannschaft eine Warnung zu. Sofort lösten sich ein Junge und ein Mädchen aus dem Kampf um die Dreier. Beide hatten Kampfstäbe. Das Mädchen war kleiner, sie bewegte sich sehr geschickt auf den Ketten. Sie würde sie zuerst erreichen.
Mitten im Lauf schleuderte sie ihren Kampfstab. Gishild lachte. Wie dämlich! Jetzt hatte sie keine Waffe mehr.
Die Fjordländerin duckte sich und wich dem Geschoss aus.
Joaquino stürzte. Der Weg zum Löwenbanner war frei. Und Luc war von vier Kämpfern umringt. Das Spiel würde jeden Augenblick vorüber sein.
Warum rannte das Mädchen noch immer auf sie zu? Es hatte doch keine Waffe mehr! Gishild machte einen Ausfallschritt.
Ihr Rapier traf das Mädchen in den Bauch und glitt dann am Gambeson zur Seite. Die andere keuchte vor Schmerz. Sie streckte die Arme vor und klammerte sich an ihr fest. Gishild hob das Rapier und schlug ihr mit dem Handschutz auf den Lederhelm. Sie geriet ins Wanken. Das Mädchen wollte sie einfach mit sich hinab in den Schlamm reißen! Und es war ihr ganz egal, dass sie dabei auch stürzen würde!
Gishild versuchte, sich dem Griff zu entwinden, als ihr seitlich gegen die Knie gestoßen wurde. Der zweite Turm griff von einer parallelen Kette an.
Gishild fluchte. Und dann lag sie im Schlamm. Der Matsch war warm. Hin und wieder wölbten sich zähe Blasen hoch und platzten. Einen Herzschlag lang erfasste Gishild Panik. Sie versank bis weit über die Hüften. Strampelnd suchte sie nach Halt. Dann endlich spürte sie festen Boden. Drustan hatte ihnen erklärt, dass man im Schlamm nicht ertrinken konnte. Er sammelte sich in einer flachen Mulde mit festem Untergrund. Nur an fünf Stellen gab es Löcher, die in bodenlose Tiefen führten, aus denen der Schlamm hervorquoll. Drei davon lagen außerhalb des Spielfelds. Bei den einzigen beiden Orten, die gefährlich waren, hatte man Fangnetze unter dem Kettengeflecht aufgespannt. Es konnte nichts geschehen, außer dass man über und über mit zähem, stinkendem Schlamm bedeckt war.
Gishild watete den Zuschauerrängen entgegen. Plötzlich berührte sie etwas. Eine große, dunkle Gestalt trat hinter einem der Pfähle hervor.
»Das hast du toll hinbekommen, du blödes Stück!«
Erst an der Stimme erkannte sie Joaquino. »Sie haben alle Löwen nass gemacht und unser Banner in den Schlamm gestoßen. Ein vernichtender Sieg! Verdammt,
Gishild. Wir wollten eine feste Linie bilden. Warum bist du vorgestürmt? Das hat es ihnen leichter gemacht, uns zu besiegen. Das war dämlich! Dämlich! Dämlich!« Er wandte sich ab.
Gishild schluckte. Sie kämpfte gegen ihre Gefühle an. Sie durfte das nicht zulassen. Sie gehörte nicht zu ihnen. Und bald würde Silwyna kommen, um sie zu holen. Sehr bald!
Was bildete der sich ein! Ihr war es verdammt noch mal egal, dass sie verloren hatten! Schließlich war sie nicht freiwillig hier. Sie würde niemals zu diesen verrückten Tjuredanbetern gehören! Und diese kindischen Spiele würde sie auch nicht mitmachen!
Die Löwen konnten ihr gestohlen bleiben. Sie war keine Löwin. Und dennoch machten ihr Joaquinos Worte zu schaffen.
EIN GUTER ABEND
Charles war in bester Stimmung. Alles war in die Wege geleitet. In nur vier Wochen würde er vor den Heptarchen in Aniscans stehen. Und er würde die Neue Ritterschaft in den Staub treten. Heute Mittag hatte der Bote die entscheidende Depesche gebracht. Jetzt hatte er Gewissheit! Vier Heptarchen würden ihn unterstützen. Die Neue Ritterschaft würde das Kommando über die Kirchenheere verlieren. Und ihr Großmeister würde aus der Runde der Heptarchen ausgeschlossen werden. An seine Stelle würde der Großmeister
des Ordens vom Aschenbaum rücken. Ein weiterer Heptarch, der ihm etwas schuldig war …
Charles summte vor Begeisterung ein unflätiges Trinklied. Bald würde er Drusna für immer verlassen. Dieses nasse, kalte Land voller unbelehrbarer Heiden. Das ganze Jahr über hatte es keine richtige Schlacht gegeben, sondern nur endlose Scharmützel mit den Schattenmännern. Er war froh, hier endlich fortzukommen.
Regen trommelte gegen den geschlossenen Fensterladen. Ein Sturm zog über das Land. Seit dieser Brief gekommen war, bestand Rodrik darauf, dass er sich nur noch in Räumen mit geschlossenen Läden aufhielt. Charles blickte zur Tür. Dort draußen auf dem Flur wachte der Hauptmann über ihn. Er nahm die Warnung sehr ernst. Ständig hatte er Angst, die Schattenmänner oder die
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