Die Ordensburg: Elfenritter 1 - Roman
einmal über eine Waffenruhe verhandeln. Es liegt in meiner Macht …«
»Sehe ich aus wie eine Unterhändlerin? Ich verhandle nicht. Ich fordere! Du wirst mir sagen, wo ich Gishild finde.«
»Aber wenn ich es nicht weiß …«
Kalter Schweiß rann ihm den Rücken hinab. Sie war langsam näher gekommen. Nur eine Dolchlänge trennte sie noch voneinander.
»Das ist schlecht für dich, Menschensohn. Natürlich glaube ich dir nicht. Ich würde es bedauern, dir ganz am Ende doch zustimmen zu müssen. Verrate mir, wo sie ist, und ich schenke dir einen leichten Tod. Du musst nicht sterben wie der Kapitän …«
Darüber machte sich Charles keine Sorgen. Sie konnte ihn nicht foltern. Man würde seine Schreie hören. Das konnte sie sich nicht leisten.
»Ich habe einen Verdacht! Gib mir vier Wochen … Oder besser fünf, und ich werde dir sagen, wo sie ist. Liliane de Droy hat sie fortgebracht. Wenn wir sie finden, dann werden wir wissen, wo das Mädchen ist.«
Er zuckte mit den Schultern und lächelte.
»Mehr kann ich dir nicht sagen. Das ist die Wahrheit!«
Ihr Dolch zuckte vor. Er spürte den Stich in die Kehle. Es geschah so schnell … Ohne Vorwarnung. Ihre Wolfsaugen hielten ihn gefangen. Sie zwinkerte nicht einmal.
Charles tastete nach seiner Kehle. Blut sickerte durch seine Finger. Es war erstaunlich wenig Blut. Er wollte etwas sagen. Aber seine Stimme versagte. Er spürte den Eisengeschmack von Blut im Mund. Wieder setzte er an zu sprechen. Aber seiner Kehle entrang sich nur ein Röcheln.
»Ich habe deine Stimmbänder durchschnitten. Niemand wird dich schreien hören«, sagte die Elfe in ruhigem Plauderton. »Das Schöne an euch Priestern ist, dass ihr alle lesen und schreiben könnt. Du brauchst deine Stimme also nicht, um mir zu verraten, was ich wissen will. Man hat dir sicher berichtet, wie sich Kapitän Ronaldo aus seiner Verlegenheit beholfen hat.«
Sie nahm seine Hand. Mit spitzen Fingern streichelte sie über seinen Handrücken. Deutlich konnte man die Knochen und dunkle Adern unter seiner fleckigen Haut sehen. Es war die Hand eines alten Mannes. Blut klebte ihm zwischen den Fingern. Er zitterte. Wollte etwas sagen … Doch wieder kam nur ein Röcheln über seine Lippen.
Er fühlte sich seltsam entrückt. Gleichsam, als stünde er neben sich und betrachtete, was geschah. Er würde sterben, das wusste er nun ganz gewiss. Aber vielleicht könnte er noch im Tode eine letzte Schlacht schlagen. Er hatte das Ziel seines Lebens verfehlt. Er würde nicht mehr zum Heptarchen aufsteigen. Aber eines blieb möglich. Er konnte den Zorn dieser Elfe auf seine Feinde lenken. Er konnte dem selbstverliebten, ketzerischen Orden vom Blutbaum schaden.
Die Elfe stieß ihm die Spitze des Dolches unter einen Fingernagel. Mit einer kurzen Hebelbewegung riss sie den Nagel aus seinem Bett. Der Schmerz beendete den Augenblick der Klarheit. Charles bäumte sich auf, schrie, ohne dass mehr als ein Röcheln erklang. Und dann malte er mit seinem Blut zittrige Buchstaben. Zwei Worte nur, die ihm die Erlösung des Todes bringen sollten.
EINFACH PECH
Ahtap trat ins grelle Licht des Spätherbstes. Der Wind trieb welke Rosenblätter in die Tunnelöffnung. Diesmal würde er nicht zurückkehren, ohne dass er sie gefunden hatte. Es genügte!
Seine Pechsträhne musste einfach ein Ende haben! Fluchend trat der Lutin in den Rosengarten. Dass sein Glück an einem kleinen Stückchen Silber hing … Vielleicht bildete er sich das alles ja nur ein … Das war Aberglaube. Aber irgendwie wurde es auch Wirklichkeit. Seit er die verfluchte Silbermünze verloren hatte, ging alles schief. Er hatte ein Vermögen an den Spieltischen von Vahan Calyd verloren und gleich anschließend Nathania, seine Gefährtin! Bis heute wusste er nicht, wo ihm der Fehler unterlaufen war … Er durchmaß so weite Strecken, wenn er die Albensterne durchschritt und sich durch das Netz der goldenen Pfade bewegte, dass er gar nicht darauf achtete, wenn sich binnen weniger Herzschläge die Jahreszeiten änderten. So war das, wenn man so weit reiste. Erst als er Nathania wiedersah und sie ihm Vorwürfe machte, hatte er begriffen, dass er irgendwo auf seinen Reisen ein halbes Jahr verloren hatte.
Er wusste um diese Gefahr, seit er ein junger Welpe gewesen war. Wer sich im Netz der Albenpfade bewegte, der überbrückte nicht nur weite Strecken mit wenigen Schritten. Wer dort einen Fehler beging, der wanderte auch durch die Zeit. Ein Jahrhundert und mehr mochte binnen
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