Die Ordensburg: Elfenritter 1 - Roman
Staat Gottes zu errichten und die ältesten Aufgaben, die dem bewaffneten Arm der Kirche gestellt waren, endlich zu erfüllen: nämlich das Heidentum auszumerzen und das Banner des Blutbaums nach Albenmark zu tragen, um die Anderen zu vernichten.
Leon trat durch die Pforte, die nur ihm vorbehalten war. Tief atmete er die kalte Nachtluft ein. Dann wandte er sich um und schloss das schwere Tor zu. Morgen würde er den stellvertretenden Leiter des Handelskontors aufsuchen. Es mussten Entscheidungen getroffen werden! Entscheidungen, die besser nicht auf den Seelen der anderen Brüder lasten sollten. Es würde einen Krieg innerhalb der Kirche geben, den nicht Ritterheere, sondern Dolche in der Nacht entschieden.
Verzweifelt blickte der Primarch zum weiten Nachthimmel auf. Warum war das Reich Gottes so fern? Warum war die Last so schwer, die ihm aufgebürdet war? Er brauchte nun gute Nachrichten, die ihm den Glauben an die bessere Welt erhielten, die einst kommen würde.
Er entschied sich, gegen die Regeln der Bruderschaft zu verstoßen. Nur ein kleiner Verstoß … Er würde Drustan nacheilen und ihn einladen, ein Stück mit ihm zu reiten. Er hatte seit Tagen nichts mehr von dem Jungen gehört.
Leon lächelte. Er nahm die Maske ab, die er zu dem geheimen Treffen aufgesetzt hatte, und verschob seine Augenklappe, damit die Nachtluft sein geschundenes Fleisch kühlte. Er wünschte, er hätte Drustans Sorgen. Der Magister war verzweifelt, weil er Gishild nicht ihre Heidenseele nehmen konnte und seine Lanze sich einfach nicht zusammenfügte. Jeden Buhurt hatten sie verloren. Sie würden zum zweiten Jahr auf die Galeeren kommen. Das war stets das Schicksal jener Novizen, die uneins blieben. Und wer uneins war, das offenbarte der Kettentanz, denn dort konnten nur jene Lanzen siegen, in denen jeder für den anderen einstand. Sie alle mussten mit ihrer gesammelten Kraft ein Ziel verfolgen. Und sie mussten bereit sein, sich für dieses Ziel und für ihre Kameraden zu opfern. Für selbstverliebte Einzelkämpfer war auf den Ketten kein Platz. Sie mochten so gut sein, wie sie wollten, sie würden stets verlieren, wenn sie auf eine Lanze trafen, die eins war mit sich und mit Gott. Es war wie auf dem Schlachtfeld. Und nur deshalb gab es den Buhurt. Dort lernten die Novizen zu siegen. Wer wusste, wie man auf den Ketten siegte, der würde einst auch Heere führen können.
Wieder lachte Leon. Drustan, Alvarez und Lilianne, sie alle waren einmal in derselben Lanze gewesen. Löwen waren sie. Und sie alle hatten ihr zweites Jahr auf der Galeere begonnen. Jetzt waren sie auf ihre Art Streiter, die der Ritterschaft zur Ehre gereichten. So würde es auch mit Luc, Gishild und den anderen sein. Drustan war noch nicht alt genug, um zu wissen, welche Macht die Zeit besaß. Sie würde die jungen Löwen zu einer kraftvollen Lanze werden lassen. Ja, sie würde sogar Gishilds Heidenseele heilen.
KÖNIG WOLKENTAUCHER
Einen Tag und zwei Nächte hatte Yulivee nun schon auf dem Felsvorsprung hoch über den Wolken gesessen. Sie hatte Stürme zu ihren Füßen vorüberziehen sehen und beobachtet, wie der Schnee auf ihrem Umhang zu Eis wurde. Ihr Zauber schützte sie vor der Kälte, aber nicht vor den feinen Eiskristallen, die ihr der Wind ins Gesicht peitschte, bis sie das Gefühl hatte, ihr würde langsam die Haut von den Wangen geschält. Und vor der Einsamkeit schützte sie ihr Zauber auch nicht.
Sie wusste, dass es sinnlos war, noch weiter hinaufzusteigen. Die Adler hatten sie gesehen. Schon vor Tagen. Sie würden entscheiden, ob sie zu ihr kommen würden oder nicht. Ihr blieb allein zu warten. Warten … Sie zog eine der Flöten aus ihrem Gürtel und spielte eine Melodie von Kälte und Traurigkeit. Manchmal hatte sie das Gefühl, es sei ihr Schicksal zu warten. Mehr als anderthalb Jahre hatte sie neben dem totenstarren Fenryl gewartet und auf ein Lebenszeichen gehofft. Nur sie allein war nicht bereit, ihn aufzugeben. Sie wollte nicht wahrhaben, dass er verloren war. Ebenso wenig, wie sie wahrhaben wollte, dass Nuramon und Farodin längst ins Mondlicht gegangen waren. Jahrhunderte waren vergangen, seit ihre beiden Retter dem Devanthar gefolgt waren. Die Albenpfade hatten sie verschlungen. So wie ihren Gefährten, den Menschensohn Mandred Torgridson, den Stammvater des Königshauses des Fjordlands. So viele Geschichten erzählten die Menschen von ihm! Sie waren überzeugt, dass er eines Tages wiederkehren würde. Wenn die Not am größten war und
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