Die Ordensburg: Elfenritter 1 - Roman
nicht.
Zögerlich kam Luc noch näher. Michelles Gesicht war leichenblass. Sie starrte vor sich hin. Er kannte diesen Blick. So hatte seine Mutter ausgesehen, als es anfing. Kalte Angst packte ihn. Nicht schon wieder! Sollte sein Leben denn von nichts anderem mehr als dieser furchtbaren Seuche bestimmt werden! Dabei hatte er gerade begonnen, wieder neue Hoffnung zu fassen.
Luc sah zum Himmel. »Bitte, gnädiger Gott, verschone sie. Bitte!«
Michelle richtete sich mit einem Ruck auf. »Was hast du gesagt?«
»Herrin, sollen wir nicht lieber zurückreiten? Ihr habt …« Luc biss sich auf die Lippen. Nein, nenne es nicht beim Namen! »Ihr seht müde aus.«
Die Ritterin lächelte schwach. »Du siehst die Feuer am Rand deines Dorfes? Das sind Totenfeuer. So viele Totenfeuer. Ich kann den Geruch verbrannten Fleisches nicht mehr ertragen. Und meine Ordensbrüder werden auch nicht glücklich sein, mich wiederzusehen. Dahin kann ich nicht zurück …« Sie deutete zu dem Hügel mit den Ruinen, weit draußen in der Ebene. »Wir werden dort lagern. Ich muss ein wenig schlafen, dann wird es mir besser gehen.«
Kalter Schweiß stand ihr auf dem Gesicht. Luc nickte, aber er wusste es besser. Die Seuche hatte nach Michelle gegriffen. Zwei Tage noch … vielleicht drei, dann würde sie auf einem Scheiterhaufen in ein Kleid aus Rauch gehüllt dem Himmel entgegensteigen.
IM ZWEIFEL
Ein schneller Schnitt. Silwyna hielt die Linke noch einen Augenblick lang auf die Lippen des Arkebusiers gepresst. Er kämpfte nicht mehr lange, um sich aus ihrem Griff zu befreien. Sein helles Lederwams war mit Blut durchtränkt. Vorsichtig ließ die Elfe den Sterbenden zu Boden sinken und zog ihn hinüber zu einem Gebüsch. Große grüne Augen starrten sie an. Er tat ihr leid. Normalerweise berührte es sie nicht, wenn sie einen Feind tötete. Doch bei ihm hier war es anders. Er war gestorben, weil er gut gewesen war. Zu gut! Vielleicht war er einmal Wildhüter gewesen, bevor er sich den Arkebusieren anschloss.
Müde wischte Silwyna ihren Dolch am Hosenbein des Kriegers sauber und schob die Waffe zurück in die Scheide. Eigentlich war sie für Menschen so gut wie unsichtbar, wenn sie sich im Wald bewegte. Aber sie war erschöpft … und sie war unachtsam geworden. Der Tote hatte wohl kaum mehr als einen Schatten gesehen. Schließlich hatte er keinen Alarm gegeben. Was immer es gewesen war, es hatte genügt, sein Pflichtbewusstsein oder seine Neugier anzustacheln. Er war genau in ihre Richtung gekommen.
Silwyna bettete die Leiche unter einen Haselnussstrauch. Hastig streute sie etwas altes Laub über den Toten und verwischte die Schleifspur, die zu seiner letzten Ruhestätte führte. Dann erklomm sie eine der Linden, die nahe am Rand der weiten Lichtung standen. Sie eilte von Ast zu Ast, ohne auch nur ein einziges Blatt erzittern zu lassen. Der Wald hier war alt, die Baumkronen eng miteinander verflochten.
Voller Sorge betrachtete sie die Krieger, die sich zu ihren
Füßen für den Kampf bereit machten. Die Ritter unter dem Banner des Blutbaums waren das Beste, was die verfluchten Tjuredpriester ihnen je entgegengeschickt hatten. Ihnen war klar gewesen, dass die Elfen sie einholen würden, obwohl sie so viele Stunden Vorsprung hatten. Keines ihrer Pferde konnte sich mit einem Elfenross messen. Allerdings waren sie weiter gekommen, als Silwyna erwartet hätte. Und da ihnen bewusst war, dass sie eingeholt werden würden, hatten sie entschieden, zumindest die Bedingungen zu bestimmen, zu denen gekämpft würde. Sie hatten eine gute Wahl getroffen!
Ihre Arkebusiere hatten sich im Dickicht am Rand einer weiten Waldlichtung verborgen. Der leichte Wind blies den Schützen entgegen, sodass sie nicht der Gestank ihrer schwelenden Lunten verraten würde. Ein Stück tiefer im Wald hatten die schwer gepanzerten Ordensritter Stellung bezogen, bereit hervorzubrechen, sobald die Salve der Arkebusiere für Verwirrung sorgte. Im Norden der Lichtung verbarg sich ein zweiter Reitertrupp im Wald, der hinzueilen würde, wenn der Angriff der Ritter an Wucht verlor.
Silwyna war im Zwiespalt. Sie hatte die Spuren gelesen. Nur sieben Reiter waren von hier nach Westen zu den Ufern der Seenplatte geflohen. Die Elfe war zuversichtlich, dass sie diesen kleinen Trupp allein würde überwältigen können, jedenfalls wenn es ihr gelang, sie noch im Wald zu stellen. Aus der Deckung der Bäume würden sie einen nach dem anderen töten. Die sieben Flüchtlinge hatten
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