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Die Ordnung der Sterne über Como: Roman (German Edition)

Die Ordnung der Sterne über Como: Roman (German Edition)

Titel: Die Ordnung der Sterne über Como: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Zeiner
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zu erklären«, ruft er. »Es versteht sich von selbst. Und mir ist es eigentlich auch ganz recht. Die Band hat ohnehin wenig Zukunft. Verkauft sich zu schlecht. Aber gut, ich hatte eigentlich mal gedacht, das wäre uns nicht das Wichtigste. Hatte ich mich eben getäuscht.«
    Marcs Wimpern, sieht Tom, sind eisverkrustet und sein Haar ist von Schnee bedeckt. So muss er selbst auch aussehen, denkt er, streicht sich mit der Hand über den Kopf, über die Jacke, klopft den Schnee ab, der im weißen Gewirbel um ihn herum sofort untergeht.
    »Die Musik, das Goldeselchen«, fährt Marc fort, rufend. »Meistbietend verkauft. Herzlichen Glückwunsch!« Ein Lächeln legt sich auf sein Gesicht, dorthin geweht wie eine Feder.
    »Du weißt genau, dass es mir nicht um Geld geht!«
    »Ach!«
    »Im Unterschied zum großen, genialen, vielversprechenden Marc Baldur ist Tom Holler aber halt nicht so genial und vielversprechend,dass er jeden zweiten Tag ein Stipendium hinterhergeschmissen bekommt.« Er schreit, nicht nur, um den Sturm zu übertönen. »Im Unterschied dazu muss Tom Holler leider sehen, wo er sein Geld herbekommt, und wenn er dazu auf ein beschissenes Kreuzfahrtschiff muss. Und ›Strangers in the Night‹ spielen, auch wenn Baldur, der große Künstler, die Nase darüber rümpft!«
    Schweigen. Und das Dröhnen des Windes, aber Tom hört nur seine eigene Wut. Aber es kommt keine Antwort. Oder spricht Marc und wird vom Sturm übertönt? Seine Gestalt, die sich gegen den Wind lehnt, ist kaum mehr zu erkennen hinter dem Schnee.
    »Warum gehen wir eigentlich immer noch weiter?«, schreit Tom.
    »Ja, warum?«, schreit Marc aus dem Schneedunkel. »Vielleicht weil wir nun mal vorwärtsleben.«
    »Scheiße!«, ruft Tom, der umgeknickt ist. »Marc, lass uns zurückgehen! Das ist doch langsam idiotisch! Wir haben noch den ganzen Rückweg!« Aber es kommt keine Antwort aus dem Helldunkel.

HEIMWEG ODER:
DAS LEBEN IST KEIN CAMPINGPLATZ
    Heimwege erscheinen oft kürzer als Hinwege. Vielleicht liegt es daran, dass man auf dem Rückweg den Weg bereits kennt, ihn ermessen kann, anstatt in einer unbekannten, vielleicht unendlichen Distanz zu gehen. Unbekannte Größen sind dem Menschen ein Gräuel. Nicht so dem Tier, dem Hund beispielsweise,der niemals auch nur erraten kann, wo sein Herrchen noch mit ihm hinmöchte, wodurch Fifi gezwungen ist, brav an jeder Kreuzung stehen zu bleiben, mit tropfender Zunge, und in aller Seelenruhe auf die Entscheidung seines Menschen zu warten, rechts oder links. Aber der Hund wartet ja nicht, wenn er wartet. Der Hund steht an der Kreuzung, ohne zu warten, denn der Hund hat keine Ahnung von der Zeit, wie Tom Holler weiß, und ohne Zeit kein Raum, woraus folgt, dass der Hund, der Gassigehfanatiker, sein Lebtag auf der Stelle tritt.
    Deshalb, nimmt Tom an, während er durch das dichte pfeifende Weiß stapft, ist der Hund ein solches Gewohnheitstier und deshalb so vernarrt in Gewohnheiten und Rituale, weil sie in die unendliche, aber ausdehnungslose Fläche seines Daseins gewisse Markierungen setzen, Aufstehen, Fressen, Leineholen, Gassi.
    Tom beneidet den Hund plötzlich. Hundsein und sich in nachmittäglicher Müdigkeit neben der Heizung dösend zusammenzurollen, keine Uhr, keine Verpflichtung zu haben, unendliche Stunden der Leere, ewige, endlose, horizontlose Fläche der Gegenwart, nichts zu müssen, wie Marc es formuliert hat, und trotzdem da zu sein, das wäre es.
    Aber wie?
    Kinder herstellen? Blinde Bejahung des Lebenswillens? Ist es nicht dasjenige, was dem Verhalten der Tiere am nächsten käme? Auch Marc und Betty, denkt er auf einmal, werden heiraten, Kinder haben, und ruckartig, tief im Innern spürt er, dass es entschieden ist. Es ist, als fiele in ein unbewegtes Wasser plötzlich ein Felsblock und sänke auf den Grund.
    Er wundert sich: Wie laut die unbelebte Natur sein kann, bei allem Schweigen, welchen Lärm sie macht, denkt er, diesesDröhnen und Heulen und Pfeifen, wie man es sonst nur vom Meer kennt, das endlos geloopte Zischeln eines Hi-Hats. Seine Beine stolpern, als gehörten sie nicht zu ihm, als verfolgten sie einen anderen Weg als sein Kopf, der es eilig hat, denn er weiß, dass Marc unten im Auto wartet. Natürlich wird Marc seelenruhig im Auto sitzen, mit laufendem Motor, in Heizungsluft, wird ihn lächelnd erwarten, wo warst du denn so lange? Denn natürlich wird er auch diesmal schneller sein, wie er immer schneller ist, weil er auch hier noch eine Abkürzung gefunden hat, wo es

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