Die Orks 03 - Das Gesetz der Orks
Stolleneingang starrte. »Die ganze Zeit über stand ein Wächter davor, aber jetzt ist er gegangen.«
»Na und?«
»Das ist unsere Chance!«, erklärte Balbok.
»Unsere Chance worauf?«, stellte sich Rammar absichtlich unwissend.
»Zur Flucht natürlich!«
»Zur Flucht, was?« Rammar schüttelte den klobigen Schädel und stemmte sich noch immer gegen Balbok, der an der Kette zog. »Ich lauf doch nicht blindlings drauflos und renne womöglich in mein Verderben! So eine Flucht gehört sorgfältig geplant und von langer Klaue vorbereitet. Ich bin nicht … He! Was tust du?«
»Flucht«, verkündete Balbok entschieden, dessen schlichtes Gemüt sich in guter Orkmanier auf ein Ziel ausgerichtet hatte, das es nun unnachgiebig zu verfolgen galt. Entschlossen marschierte er in Richtung Stollen, die Kette zwischen den beiden Orkbrüdern spannte sich, und Rammar hatte das Gefühl, als würde ihm das Bein aus der Hüfte gerissen.
»Verdammt, was soll das?«, blaffte er.
»Flucht!«, wiederholte Balbok.
»Willst du wohl hierbleiben?«
Balbok schüttelte den Kopf. »Flucht!«
»Wie stellst du dir das vor?«
»Flucht!«, grunzte der hagere Ork noch einmal – und stemmte sich so in die gespannte Kette, dass Rammar sein Hüftgelenk bereits verdächtig knacken hörte.
Ob Rammar wollte oder nicht – ihm blieb nichts anderes übrig, als seinem Bruder zu folgen, was infolge der unzähligen Sklaven, die sich zu den Mahlzeiten in der Höhle drängten, glücklicherweise nicht weiter auffiel. Man würde ihre Flucht wohl erst bemerken, wenn sie nicht mehr an ihrem Arbeitsplatz erschienen. Was aber geschah, wenn man sie erwischte, darüber wollte Rammar lieber nicht nachdenken.
»Warte!«, zischte er, während er seinem Bruder hinterhereilte, quer durch die Menge und auf einem Bein hüpfend, weil das andere an der Kette gezogen wurde und er es nicht mehr auf den Boden setzen konnte. Warum nur, fragte er sich, musste ein Ork stets in Extreme verfallen?
Endlich gelang es ihm, so weit zu seinem Bruder aufzuschließen, dass die Kette nicht mehr gestrafft war und er wieder gehen konnte. An Umkehr war jedoch nicht zu denken. Der Hagere hatte den Stollen so fest ins Auge gefasst, dass keine Macht Erdwelts stark genug war, ihn von diesem Ziel abzubringen. Rammar überlegte, ob er sich einfach zu Boden fallen lassen sollte, und sich auf diese Weise als eine jener Kugeln zu betätigen, die man Gefangenen an den Fuß zu ketten pflegte, um sie am Weglaufen zu hindern. Aber er fürchtete, dass Balbok dann herumschreien und -zetern und die Aufmerksamkeit der Wärter damit auf sich ziehen würde, und ein aufgerissener Hintern war mehr als genug.
Also blieb ihm nur, darauf zu hoffen, dass er seinen dumpfbackigen Bruder zur Vernunft bringen konnte, wenn sie den Stollen erst erreicht hatten. Über eine Reihe von Stufen, die in den Fels der Höhle geschlagen waren, gelangten sie auf eine der Plattformen, die die Höhlenwände säumten. Die Sklaven, die dort kauerten und ihre Suppe schlabberten, bedachten sie mit einigermaßen verwunderten Blicken, jedoch stellten sie weder Fragen, noch unternahmen sie Anstalten, sich ihnen anzuschließen. Ihre leeren Blicke ließen vermuten, dass sie sich mit ihrem Los abgefunden hatten.
Balbok aber hatte nur den Stolleneinstieg im Auge und stürmte die Stufen empor, so rasch er konnte. Noch immer war der Aufseher, der den Stollen bewacht hatte, nicht zurückgekehrt. Seinen keuchenden Bruder hinter sich herzerrend, erklomm Balbok ein weiteres Plateau, von dem aus ein steinerner Pfad auf jene Plattform führte, von der aus man in den Stollen gelangen konnte.
Da der Pfad keinerlei Brüstung oder Geländer hatte, kniff Rammar lieber die Augen zu, während er seinem Bruder folgte. Nur einmal blinzelte er, sah tief unter sich das wimmelnde Heer der Sklaven – und wäre um ein Haar hinabgestürzt, weil ihm schwindlig wurde. Die letzten knum'hai legte er daher wieder mit geschlossenen Augen zurück, und als er sie erneut öffnete, starrte ihnen der Tunneleingang dunkel und drohend entgegen.
Rammar war klar, dass er seinen Bruder endlich zur Vernunft bringen musste, wollte er nicht schon wieder mitten in einem Abenteuer landen, das er zwar vollmundig herbeigeredet hatte, bei Licht betrachtet jedoch gar nicht erleben wollte.
»Langer«, ächzte er, mühsam nach Atem ringend und sich auf die Knie stützend, »lass es schlecht sein. Das genügt für heute.«
»Das genügt für heute?« Balbok wandte sich zu ihm
Weitere Kostenlose Bücher