Die Orks
»Aha, das dachte ich mir. Also ist Folter wohl kaum die Lösung, oder?«
»Wir hätten dieses Tal niemals betreten dürfen, ohne es vorher auszukundschaften«, murrte Haskeer leise.
»Ich bin gerade in der richtigen Stimmung für Ihre Nörgelei, Feldwebel«, sagte Stryke zu ihm mit einer Miene so
hart wie Stein. »Wenn Sie irgendwas darüber zu sagen haben, wie ich diesen Trupp führe, lassen Sie es jetzt hören.«
Haskeer hob die Hände zu einer beschwichtigenden Geste. »Nein, Boss.« Er setzte ein leeres Grinsen auf. »Ich habe… nur laut gedacht.«
»Das Denken ist nicht Ihre Stärke, Feldwebel. Überlassen Sie das mir. Und das gilt für euch alle!«
Spannungsgeladene Stille breitete sich aus. Alfray durchbrach sie. »Was sollen wir tun, Hauptmann?«, fragte er.
»Für den Anfang so viele Pferde wie möglich finden. Wenn Meklun nicht reiten kann, macht eine Trage für ihn.«
Mit einem Nicken in Richtung des Gemetzels fuhr er fort: »Lasst keine Kobolde am Leben. Schneidet ihnen den Hals durch. Macht voran.«
Die Vielfraße machten sich dünn. Coilla blieb und sah ihn an.
»Sag's nicht«, kam er ihr zuvor. »Ich weiß. Wenn wir uns das verdammte Ding für Jennesta nicht wiederholen, sind wir so gut wie tot.«
Jennesta stand auf dem höchsten Balkon des höchsten Turms ihres Palasts. Der Ozean im Osten befand sich in ihrem Rücken. Sie schaute nach Nordwesten, wo sich gelbliche Nebelschwaden über der Taklakasee erhoben. Jenseits des Binnenmeers waren gerade noch die Zinnen der Stadt Urrarbython am Rande des Hojanger-Ödlands auszumachen. Das Ödland wich wiederum der Eisscholle, die, in das Licht einer scharlachroten Sonne getaucht, den Horizont beherrschte. Für Jennesta sah sie aus wie eine erstarrte Welle aus Blut. Eine eisige Brise wehte, schneidend wie eine Klinge, und ließ die schweren kirschroten Vorhänge im Eingang des Balkons flattern. Sie hüllte sich fester in den milchfarbenen Umhang aus Säbelzahnwolfpelz. Herbstliche Verhältnisse straften die Jahreszeit Lügen, und jedes Jahr wurde es schlimmer.
Die vorrückenden Gletscher und eisigen Winde waren die Vorboten der Menschen und ihrer ständig zunehmenden Übergriffe: sie breiteten sich aus, rissen dem Land das Herz aus und störten das Gleichgewicht. Sie fraßen Maras-Dantiens Magie auf. Sie hatte gehört, dass die Menschen im Süden, wo ihre Bevölkerungsdichte am größten war und Zauberei wenn überhaupt nur schlecht funktionierte, sogar dem geheiligten Namen entsagt hatten und dazu übergegangen waren, die Welt Zentrasien zu nennen. Zumindest die Unis hatten das getan, und die waren immer noch zahlreicher als die Mannis. Nicht zum ersten Mal fragte sie sich, was ihre Mutter Vermegram wohl von dem Schisma gehalten hätte. Jennesta bezweifelte nicht, dass sie dem Pfad der Anhänger der Mannigfaltigkeit den Vorzug gegeben hätte. Schließlich hingen sie pantheistischen Lehren an, die eine bemerkenswerte Ähnlichkeit mit denjenigen der älteren Rassen aufwiesen. Aus diesem Grund unterstützte Jennesta ihre Sache persönlich und würde dies auch weiterhin so lange tun, wie es ihr passte. Doch ob ihre Mutter, eine Nyadd, es tatsächlich gut geheißen hätte, dass Jennesta mit den Spätankommern gemeinsame Sache machte, war eine akademische Frage. Ungeachtet Vermegrams menschlichen Gefährten.
Und was war mit ihm? Hätte Jennestas Vater die Unitarier und deren unsinniges monotheistisches Glaubensbekenntnis gut geheißen? Wenn sie über diese Dinge nachdachte, stieß sie jedes Mal immer auf die Doppelbödigkeit ihrer hybriden Abstammung, was unvermeidlich dazu führte, dass sie an Adpar und Sanara dachte und Ärger in ihr aufstieg. Sie konzentrierte sich wieder auf das Artefakt. Es war der Schlüssel zu ihren Ambitionen und zum Sieg, und es schien ihr zu entgleiten.
Sie drehte sich um und ging zurück in das Gemach. Ein Bediensteter trat vor und nahm ihr den Umhang ab. Schlank gebaut, fast zierlich, war der Bedienstete blasshäutig und hatte feine Züge. Die sandfarbenen Haare, die puderblauen Augen mit den langen goldenen Wimpern, die Stupsnase und die sinnlichen Lippen waren typisch androgyn. Der Bedienstete war neu, und Jennesta war immer noch unsicher, ob dieses Wesen vorherrschend männlich oder weiblich war. Aber dieses Problem hatten alle mit Elfen.
»General Kysthan ist hier, Majestät«, verkündete er oder sie mit flötender Singsang-Stimme. »Er, äh, wartet bereits eine ganze Weile.«
»Gut. Ich werde ihn
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