Die Orks
empfangen.«
Der Elf führte den Besucher herein, verbeugte sich diskret und ging. Kysthan war vermutlich Ende mittleren Alters, soweit
sie das beurteilen konnte, und sah nach orkischen Maßstäben distinguiert aus.
Er hatte das steifnackige Gehabe des Militärs. Eine Ansammlung von Zickzack- Tätowierungen auf den Wangen erzählte die Geschichte seines Aufstiegs innerhalb des Militärs. Seine Miene kündete von Unbehagen und nicht geringer Beklommenheit. Es gab keine Eröffnungsformalitäten.
»Ich kann Ihrer Miene entnehmen, dass sie nicht zurückgekehrt sind«, sagte sie mit kaum verhohlenem königlichem Missvergnügen.
»Nein, Majestät.« Er unterließ es, ihrem Blick zu begegnen. »Vielleicht sind sie auf größeren Widerstand gestoßen als erwartet.«
»Nichts in den Meldungen weist darauf hin.« Er antwortete nicht.
»Was schlagen Sie vor, deswegen zu unternehmen?«
»Eine Abteilung bricht in größtmöglicher Eile auf, um herauszufinden, was ihnen zugestoßen ist, Majestät.«
»Haben wir es mit Verrat zu tun?«
Der General war gekränkt. »Wir hatten noch nie Grund, an der Loyalität irgendeines Mitglieds der Vielfraße zu zweifeln«, erwiderte er ernst. »Ihre Leistungen waren immer hervorragend und…«
»Das weiß ich. Glauben Sie, ich hätte sie mit einem derart heiklen Auftrag betraut, wenn es anders wäre? Halten Sie mich für so dumm?« Kysthan senkte den Blick, bis er auf seine Füße starrte.
»Nein, Majestät.«
»›Nein, Eure Majestät‹«, äffte sie ihn sarkastisch nach. Nach einer angespannten Pause fügte sie hinzu: »Erzählen Sie mir von ihrem Anführer, diesem Stryke.«
Er holte einige Pergamentblätter aus seinem Wams und nahm zur Kenntnis, dass seine Hände ein wenig zitterten. »Ich hatte noch nicht oft persönlich mit ihm zu tun, Majestät. Aber ich weiß, dass er aus einem guten Klan stammt. Natürlich ist er schon von klein auf beim Militär. Und er ist ein heller Kopf.«
»Für einen Ork.«
»Wie Ihr meint«, murmelte Kysthan. Er räusperte sich verlegen und zog seine Papiere zu Rate. »Allem Anschein nach hat er sehr früh beschlossen, seine Aussichten auf Beförderung dadurch zu erhöhen, jede ihm auferlegte Pflicht mit bedingungsloser Hingabe zu erfüllen. Seine vorgesetzten Offiziere berichten, dass er Befehle immer augenblicklich befolgt und Strafen klaglos hingenommen hat.«
»Intelligent und ehrgeizig.«
»Ja, Majestät.« Der General blätterte in seinen Pergamenten herum, eine Aufgabe, die mit Grazie zu erfüllen Soldatenhände zu plump waren. »Tatsächlich fiel er schon bei seiner ersten Abkommandierung…«
»Wie sah die aus?«
»Hmm?«
»Seine erste Abkommandierung. Wie sah die aus?«
»Er war als Knecht für die Drachenmeister eingeteilt, zur Arbeit in den Ställen.« Kysthan überflog eine Pergamentseite. »Er hat Drachenmist geschaufelt.« Eine unmerkliche Geste ihrer Hand bedeutete ihm fortzufahren.
»Dabei fiel er einem Offizier auf, der seine Beförderung von der Arbeitsdrohne zum Gemeinen empfahl. Er machte sich sehr gut und wurde zum Gefreiten und dann zum Feldwebel befördert. Kurz danach erreichte er seinen gegenwärtigen Rang. Alles binnen vier Jahren.«
»Beeindruckend.«
»Ja, Majestät. Natürlich hatte er bis dahin ausschließlich im Expeditionskorps der Vereinigten Ork-Klans gedient…«
»Obwohl darin nicht alle Ork-Klans vertreten sind und sie gelegentlich weit davon entfernt sind, vereinigt zu sein.« Sie lächelte ihn mit der ganzen Wärme einer scilantischen Grubenspinne an. »Ist es nicht so, General?«
»Es ist so, Majestät.«
Sie genoss die Demütigung.
»Wie Ihr wisst«, fuhr er fort, »war der Oberste Orkische Kriegsrat infolge einer Geldknappheit und der daraus resultierenden Unmöglichkeit, alle Truppen zu versorgen, zu gewissen Sparmaßnahmen gezwungen. Eine dieser Sparmaßnahmen
bestand darin, mehrere tausend Krieger zu…«
»Das Wort lautet verkaufen, General. Und zwar an mich. Sie waren Bestandteil des Kaufs, wenn ich mich recht entsinne.«
»Ja, Majestät, ebenso wie Stryke. Wir sind damals beide in Eure huldvollen Dienste getreten.«
»Hören Sie auf zu schleimen. Ich verachte Kriecher.«
Die Verlegenheit trieb ihm das Blut in die Wangen, die eine bläuliche Färbung annahmen.
»Wie lange wird es dauern, bis sich Ihre Abteilung zurückmeldet?«, fragte sie.
»Ungefähr fünf Tage, wenn sie nicht auf größere Schwierigkeiten stößt.«
»Dann müssen Ihre Leute gut aufpassen, dass sie es
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