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Die Orpheus-Prophezeiung: Thriller (German Edition)

Die Orpheus-Prophezeiung: Thriller (German Edition)

Titel: Die Orpheus-Prophezeiung: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Buslau
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Vorsichtig nahm sie das Instrument heraus, zupfte probeweise an den Saiten. Ihr Bogen war auch da. Obwohl Mara wusste, dass sie sich in keiner glücklichen Situation befand, durchrieselte sie Erleichterung.
    »Glaubst du, ich riskiere, dass die Geige zerstört wird?«, sagte Deborah und lachte kalt. »In dem Kasten, den ich auf der Donauinsel dabeihatte, war nichts. Und du hast statt der versprochenen Dokumente nur wertloses Papier mitgebracht. Somit wären wir also quitt.«
    »Du gibst mir Tamara zurück?«, fragte Mara.
    »Erinnere dich an unseren Deal. Ich habe die Absicht, daran festzuhalten. Denn nun sind wir am Ziel. Und es ist nicht nur mein Ziel, sondern auch deines, Mara. Sonst wärst du doch nicht hier. Ich biete es dir also noch einmal an: Lass uns zusammenarbeiten. Lass uns Aufnahmen machen, die wir der ganzen Welt verkaufen können. Hier unten. In dem geheimen Raum der Orphiker. Ich bin sicher, hier kommt deine Musik ganz besonders gut zur Geltung.«
    Sie ist vollkommen wahnsinnig, schoss es Mara durch den Kopf. Sie hatten den Versammlungsort der Orphischen Akademie gefunden, gut. Deborah würde in kürzester Zeit herausfinden, was es mit diesem Ort auf sich hatte. Sie würde die mit Sicherheit reizvollen Gegebenheiten in dem angrenzenden Raum erkennen, der wie eine Violine geformt war. Aber welche Bedeutung für irgendeine blöde PR- Kampagne hatte es schon, ob Mara wirklich auf ihrer Geige und in diesem Raum spielte? Und das Wichtigste fehlte ja noch. Wo waren die Melodien des Orpheus, die hier angeblich versteckt sein sollten? Wo war die antike Musik, mit der man wilde Tiere besänftigen konnte?
    »Hier unten ist nichts«, sagte Mara. »Nur ein Raum. Keine Melodien, keine Noten oder so was.«
    Deborah schüttelte den Kopf. »Darum geht es auch gar nicht. Verstehst du das immer noch nicht? Es geht nur darum, dass es diesen Ort gibt. Orte haben Atmosphäre. Sie haben Zauber. Sie vermitteln Spiritualität. Nimm die Geige. Du wirst hier improvisieren. Und wir werden es aufzeichnen.«
    Jetzt erkannte Mara, dass Quint am Gürtel eine Tasche trug. Er entnahm ihr ein kastenförmiges Gerät – etwas größer als eine Zigarettenschachtel. Mara wusste, was das war. Ein sogenanntes Tascam – ein Aufnahmegerät, das klein, aber trotzdem qualitativ sehr hochwertig war.
    »Ich sehe«, sagte Deborah, »da hinten geht es weiter. Ich denke, du hast die Gegebenheiten hier schon ganz gut erforscht. Geh vor, wir folgen dir.«
    »Da liegt eine Leiche«, sagte Mara kühl. Dabei drückte sie Tamara an ihre Brust wie ein Kind.
    Deborah ging zu dem toten Jungen, sah dann aber Mara an. »So kann es gehen, wenn man zu neugierig ist. Mal sehen, wie du dich anstellst. Vielleicht liegen ja gleich zwei da.«
    »Was habt ihr mit Jakob gemacht? Ist er tot?«
    »Wir haben ihn befragt und laufen lassen. Es kann sein, dass er auch noch hier auftaucht. Dann wissen wir, was wir zu tun haben. Wenn nicht, solltest du auch nicht traurig sein. Die Männer sind alle gleich. Also los, nun geh schon. Oder hast du Angst? Ich kann mir nicht vorstellen, dass Zerberus hier auf uns wartet.«
    In der gespenstischen Beleuchtung wirkte der Raum mit den Rundungen seltsam verzerrt. Deborah ließ sie bis zur Wendeltreppe gehen, nahm dann selbst eine Lampe heraus und leuchtete die Wände ab.
    »Der Schüler muss ins Innere eindringen«, sagte sie. »So steht es in einer Schrift, die ein wenig von den Ritualen der Orphiker beschreibt. Leider gab es davon nicht viele, und ich habe diese Aussage immer als eine Metapher empfunden. Als einen poetischen Vergleich. Ins Innere der Musik, was heißt das schon? Nun sehe ich, dass sie es wörtlich gemeint haben. Interessant.« Sie legte den Kopf in den Nacken und sah an der Wendeltreppe hoch. »Wo geht’s denn da hin?«
    »Ich weiß es nicht«, sagte Mara. »Ich wollte gerade eine neue Fackel holen, um sie dort oben hin mitzunehmen, da bin ich euch begegnet.«
    »Ich kann es mir denken«, sagte Deborah. »Da geht es zu den Logenplätzen.«
    »Logenplätze? Ist das ein Theater?«
    Sie lächelte. »Na sicher, Mara. Im übertragenen Sinne. Der Prüfling musste sich hier ins Innere der Violine stellen und spielen. Die Orphiker saßen in einer anderen Etage und hörten ihm zu. Der Klang hatte hier unten in diesem Raum Gelegenheit, sich zu einer großen Wolke zu verdichten, bevor er in die oberen Bereiche kommt. Das Prinzip ist bekannt. Nach ihm ließ Richard Wagner in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts den

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