Die Orpheus-Prophezeiung: Thriller (German Edition)
weitermachen.«
Verbrannter Ami? »Heißt das, er ist in seinem Auto verbrannt ?«, fragte sie.
Langner verzog den Mund, als spüre er genau wie Mara Schmerzen bei Teltows ungehobelter Ausdrucksweise.
»Was dachten Sie denn?«, rief der Kollege mit rauer Stimme. »Das wollten wir Ihnen ja gestern beim Konzert schon sagen. Er ist zu schnell gefahren. Und wahrscheinlich war er betrunken. Oder hat Drogen genommen. Das scheint ja in der Musikbranche so üblich zu sein.«
»Frau Thorn sagte, er sei durch sein Handy abgelenkt gewesen«, wandte Langner ein.
»Ach? Und woher wollen Sie das wissen?«
»Nein, es war doch nicht das Handy«, rief Mara. »Er hat mich angerufen. Gerade, als der Unfall passierte.«
»Was für ein Zufall«, sagte Teltow mit brummendem Unterton.
»Aber ich hatte das Gefühl, da war noch eine andere Person im Wagen. Er hat mit jemandem gesprochen.«
Teltow nickte. »Sicher. Schließlich wollte er telefonieren, oder? Aber die Person, von der Sie sprechen, hätte ja auch in dem Wrack sein müssen.«
Langner beugte sich zu Mara vor. »Sind Sie denn ganz sicher? Vielleicht war im Auto das Radio an … Oder haben Sie vielleicht verstehen können, was er sagte?«
Mara spürte, wie ihr Herz wild zu klopfen begann. Schon die körperliche Nähe dieses Teltow war ihr zuwider.
»Erinnern Sie sich«, sagte Langner, während sein Kollege den Kopf schüttelte.
Mara blickte auf ihre Knie, lenkte sich ab, versuchte, in ihr Inneres zu sehen. Was hatte sie gehört, als Gritti anrief? Sie wusste nur noch, dass jemand etwas rief. Dass es knirschte und knallte. »Ich habe Gritti gehört. Oder jemand anderen«, sagte sie schließlich.
»Sie wissen es also nicht«, rief Teltow.
»Und dann hat es geknallt. Und gequietscht …«
Teltow stand auf. »Wir bleiben dabei. Unfall. Danke, dass Sie uns die Sache mit dem Handy erzählt haben. Wir schreiben es in den Bericht. Wiedersehen.« Er verließ den Raum.
»Mehr kann ich nicht tun, Frau Thorn«, sagte Langner.
Mara nickte.
»Kann ich jetzt gehen?«
»Natürlich.«
Sie war aufgestanden und hatte bereits die Tür erreicht, da rief sie Langner noch einmal zurück.
»Frau Thorn?«
Sie drehte sich um.
Er hielt ein Blatt in die Höhe. »Das Autogramm, bitte.« Er gab ihr einen Zettel von einem Notizblock.
»Wie heißt Ihre Tochter?«
»Alexandra.«
Für Alex – bleib cool. Mara.
Langner strahlte. »Danke«, sagte er.
7
Hinter der Glastür, durch die sie ins Freie trat, empfing sie die Kälte des Herbstes. Die Luft war feucht und geschwängert von Abgasen. Auf dem Tempelhofer Damm toste der Verkehr. Die Tristesse des Großstadtpanoramas verstärkte ein Gefühl, das sie immer deutlicher spürte und das sie nun zu überwältigen drohte. Das Gefühl von Einsamkeit. Es graute ihr davor, ins Hotel zurückzukehren. Chloe hatte eine Pressekonferenz angekündigt. Mara hasste solche Veranstaltungen.
Es gab keine Taxis. Und warum sollte sie auch eins nehmen? Sie beschloss, zu Fuß in die Innenstadt zurückzulaufen, und kaum war sie ein paar Schritte gegangen, wurde ihr klar, wie sie das vermisste. Früher war sie oft so durch die Stadt gestreift. Sie hatte gebettelt. Und dabei sogar Stolz empfunden, weil sie nicht zu den normalen Punkern gehörte. Sie trug ja einen Geigenkasten in der Hand. Sie war Künstlerin. Sie war etwas Besonderes.
Der Wind fuhr ihr in den Kragen ihrer Jacke. Sie trug keinen Schal und zog das Leder fester an sich. Sie wusste grob, in welche Richtung sie gehen musste. Nicht weit entfernt, jenseits des Columbadamms, lag der alte Luisenstädter Friedhof, und dahinter der Volkspark Hasenheide – jetzt eine herbstliche Einöde. Sie beschloss, ihn diagonal zu durchqueren.
War sie hier jemals gewesen – damals, als eine andere Mara, die gerade die Schwarze Violine erhalten hatte?
Sie überlegte, aber die Erinnerungen schoben sich übereinander. Sie waren schwer in die richtige Chronologie zu bringen.
Sie wusste noch, wie sie sich mit ihrer Geige Tamara anfreundete, die ihr ein Unbekannter zum achtzehnten Geburtstag geschenkt hatte. Sie lebte und spielte damals in Berlin.
Sie war schon zwei Jahre zuvor aus dem spießigen Haushalt ihrer Pflegeeltern abgehauen. Und hier wartete die Freiheit. In den Kellern. Zwischen Punkern, Grufties, Emos und wie sie sich alle nannten. Und bei einem der Auftritte erschien auf einmal jemand, der dort ganz und gar nicht hinpasste.
Ein älterer Mann. Dunkle Kleidung. Ein faltiges, ausdrucksstarkes Gesicht, das in
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