Die Orpheus-Prophezeiung: Thriller (German Edition)
aufgebaut war. Zwischen den Stuhlreihen standen Leute herum und unterhielten sich.
»Nach vorn«, rief Chloe und schob Mara weiter. Dann saßen sie dort, blickten in den Raum, der sich nach und nach immer mehr füllte. Mara wurde am Rand platziert, was sie wunderte, denn war sie nicht die Hauptperson? Ging es nicht darum, wie sie Johns Tod verkraftete und was das für ihre Konzerte bedeutete? Außerdem hatte es nicht wie sonst üblich ein Briefing gegeben. Eine kurze Absprache, wie die Konferenz ablief und wie auf bestimmte Fragen zu reagieren war.
Chloe setzte sich neben sie. Marc nahm auf der anderen Seite Platz. In der Mitte des Tischs blieben zwei Stühle frei. Welchen Sinn sollte diese Lücke haben?
»Wer kommt denn noch?«, fragte Mara Chloe, die gerade mit einer Frau im Kostüm redete. Mara erkannte in ihr die Klatschkolumnistin, mit der sie auch einmal ein Interview gemacht hatte.
Sie versuchte zu verstehen, was die PR- Managerin mit der Frau besprach, aber die Geräuschglocke um sie herum war so dicht, dass sie nur einzelne Wörter verstand: Gritti, Unfall, Polizei – und dann immer wieder ein Wort, das Mara als »Vertrag« identifizierte. Was sollte das bedeuten? Chloe hatte ihr eingeschärft, mit Journalisten nicht über Geschäftliches zu reden, schon gar nicht über Geld. Durchbrach sie jetzt ihr eigenes Prinzip?
Was gab es denn da zu bereden? Natürlich hatte Mara mit John einen Vertrag über die Konzerte abgeschlossen …
Ein Schreck durchfuhr sie. Was sah der Vertrag eigentlich vor, wenn John starb?
»Was hast du gesagt?«, fragte Chloe.
Die Journalistin hatte sich in die erste Reihe gesetzt und zeigte ihre Beine, die für eine Frau, die wahrscheinlich auf die sechzig zuging, gar nicht so schlecht aussahen.
»Wer kommt noch?«
»Wirst du schon sehen.«
»Warum sagst du es mir nicht?«
»Weil wir jetzt anfangen.«
Ein elektronisches Klingeln ertönte. Chloe nahm ihr Smartphone aus der Tasche, las eine SMS und drückte sie weg.
Mara wollte noch etwas sagen, doch dann streckte Chloe die Hand aus, tippte an das Mikrofon, das vor ihr auf dem Tisch stand, und knipste am Griff des Geräts einen kleinen Schalter an.
»Kann man mich jetzt hören?«, fragte sie, und ihre Stimme erklang über die Lautsprecher. »Danke, dann können wir anfangen. Ich bitte um Ruhe.«
Mara versuchte, ein gelassenes Gesicht zu machen. Doch ihre innere Unruhe wuchs. Es hatte vorher keine Besprechung gegeben. Keine Absprachen, wie es normalerweise üblich war. Es war doch eine heikle Situation. Überhaupt nicht zu vergleichen mit einer Tourneeeröffnung oder der Präsentation einer neuen CD . Hier war ein Unglück passiert. Einer der führenden Köpfe des ganzen Mara-Projekts war tot.
Mara fiel ein, dass Gritti es tatsächlich immer so genannt hatte: »Mein Mara-Projekt.« Am Anfang hatte sich Mara dabei wie eine Sache, ein Ding, ein Objekt gefühlt, aber nach und nach hatte sie verstanden, dass es so nicht gemeint war. John wollte damit zum Ausdruck bringen, dass er die Unterstützung ihrer Musik als ein großes Lebensziel ansah, als etwas, das ihn bis zu seinem Lebensende beschäftigen würde.
Was ja nun auch der Fall war. Nur hatte niemand geahnt, wie schnell dieses Ende kommen sollte.
Chloe setzte ihre Ansprache fort. »Ich begrüße Sie zu unserer Pressekonferenz. Ich mache keine langen Worte. Sie haben alle mitbekommen, was passiert ist. John S. Gritti, der Mann, der Mara entdeckt und gefördert hat, ist gestern Abend bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen.« Sie machte eine Pause, die Mara kalkuliert vorkam. »Natürlich hat uns diese Nachricht alle schockiert. Wir haben es mitten im Konzert erfahren. Mara erfuhr es in der Pause, und sie hat ja dann auch entsprechend reagiert. Ich glaube, das ist das Einzige, was eine Künstlerin in einem solchen Moment tun kann. Und es ist sicher das Persönlichste …«
Gemurmel entstand im Saal. Nun war die PR- Managerin das Motiv der Blitzlichter.
»Was sagen Sie dazu, Mara?«, rief jemand aus der hinteren Reihe. »Können wir ein Statement haben?«
Mara blickte über die Menge. Die meisten hatten Diktiergeräte in der Hand, andere saßen mit dem Notizblock oder dem Notebook bereit.
»Sie haben recht«, sagte Chloe. »Ich übergebe das Wort an Mara. Nach Gritti ist sie ja die Person, um die es geht.«
Mara hatte kein eigenes Mikro. Chloe schob ihr das Gerät von sich ein Stück hinüber. Ein paar Sekunden verbrachte Mara damit, darauf herumzuklopfen, aber es
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