Die Orpheus-Prophezeiung: Thriller (German Edition)
sie. Ein rotes Feld leuchtete auf. Gelbe Buchstaben blinkten.
karte gesperrt!
setzen sie sich mit ihrem berater in verbindung!
Das musste ein Irrtum sein. Hatte sie etwas falsch gemacht? Mara drückte auf »Abbruch«, die Karte kam wieder aus dem Schlitz.
Sie versuchte es noch einmal.
Und die Warnung erschien ein zweites Mal.
Verdammter Mist.
Als die Karte diesmal herauskam, zitterten ihre Hände.
Sie zog das Handy hervor. Einen Moment befürchtete sie, man hätte ihr auch das Smartphone abgeklemmt, doch alles funktionierte. Nach kurzer Suche hatte sie die Telefonnummer der Bank gefunden, und sie rief an. Es dauerte eine Weile, bis man sie verbunden hatte.
»Es tut mir leid«, sagte die Beraterin dann.
»Was ist denn los?«, fragte Mara.
»Das Konto wurde aufgelöst.«
»Wie bitte? Von wem?« Sie konnte es sich denken, aber sie musste es genau wissen. Vielleicht bestand ja noch die geringe Chance, dass es sich doch um ein Versehen handelte, um einen Irrtum …
»Könnten Sie mir bitte noch einmal Ihr Geburtsdatum sagen?«
»Warum denn? Ich habe doch schon …«
»Es sind unsere Sicherheitsvorschriften. Wir können am Telefon nicht so einfach Auskunft geben.«
»Also gut.« Mara gab es noch einmal durch. Dann fragte die Frau nach ihrer Adresse, und Mara nannte ihr die Anschrift der kleinen Wohnung aus Köln, obwohl sie dort nicht mehr wohnte. Sie wusste aber, dass diese Adresse bei der Bank gespeichert worden war, als sie mit John das Konto eingerichtet hatte.
»Also, was ist nun?«
Sie hörte die Frau im Callcenter tippen.
»Hier ist eine Notiz. Alfred Gritti. Er hatte eine Bestätigung dabei. Einen …«, sie zögerte kurz, »… einen Totenschein.«
»Aber das Konto gehört mir. Mara Thorn und John Gritti. Alfreds Bruder. John Gritti ist der Verstorbene. Aber das heißt doch nichts.«
»Tut mir leid, aber die Kontoauflösung ist völlig korrekt vonstattengegangen. Totenschein, Testament, amtliche Bestätigungen. Es war alles da. Der verstorbene Herr Gritti konnte über das Konto alleine verfügen. Sie hatten nur das Recht, bis zu einem bestimmten Betrag innerhalb eines Tages Geld abzuheben …«
Mara nahm das Handy vom Ohr und starrte es an.
Sehr leise kam die Stimme der Beraterin aus dem Gerät: »Hallo? Hören Sie mich?«
Mara drückte den roten Knopf.
Sie spürte, wie sie sich innerlich versteifte. Sie musste sich zwingen, die Beine zu bewegen. Auf dem Weg zu den Schließfächern drängte sie sich durch einen Pulk Jugendlicher. Fast alle hatten Ohrstecker eines iPods oder eines anderen MP 3-Players im Ohr, einer pfiff ihr unverhohlen hinterher. Sie bog in den schmalen Gang mit den Fächern ab, kramte nach dem Schlüssel …
Der Schlüssel war weg!
Die andere Jeanstasche. Nichts.
Es war, als hätte sich ihr Blut innerhalb einer einzigen Sekunde bis zum Siedepunkt erhitzt. Das durfte nicht wahr sein.
Wo war der Schlüssel? Hatte sie ihn im Taxi verloren? Hatte sie ihn in dem alten Haus an der Landstraße gelassen?
Nein, sie hatte ihn doch eben noch gehabt!
Sie rannte an der Reihe der Schließfächer entlang. Hier, ganz hinten, hier hatte sie ihre Sachen untergebracht.
Sicher gab es irgendwo eine Aufsicht, wo man einen Zweitschlüssel bekommen konnte. Und eine Videoüberwachung. Man würde sehen können, wer das Fach geöffnet hatte. Man würde nach ihm fahnden können.
Die Tür des Schließfachs stand sperrangelweit offen.
War es wirklich dieses? Sie hatte sich die Nummer nicht gemerkt.
Sie bückte sich, sah in den rechteckigen Hohlraum. Ganz hinten lag ihr Rucksack. Sie zog ihn heraus. Er war genauso schwer wie vorher. Nervös fummelte sie die Schnallen auf. Alles schien noch da zu sein – sogar ihr Notebook.
Sie blickte wieder in das Fach.
Jetzt war es leer.
Die Violine war verschwunden.
Quint stand ein Stück entfernt an einem Zeitschriftenstand. Er hatte wie ein ganz normaler Kunde ein Magazin in die Hand genommen. Es war eine Spezialzeitschrift über Kreatives Schreiben, ein Gebiet, das er schon in der Schule gehasst hatte. Aber es war ja nur Tarnung.
Über den Rand des Hefts hinweg beobachtete er Mara, die einen sehr nervösen Eindruck machte.
Gute Beobachtung war einfach alles. Nur weil er sie genauestens im Auge behalten hatte, war ihm aufgefallen, dass sie den Schlüssel in ihrer Jeanstasche aufbewahrte. Sehr gut. Ein kleiner Taschendiebtrick. Eine kleine Rempelei, und er hatte den Schlüssel.
Mara hatte den Diebstahl gar nicht bemerkt. Quint hatte einen Moment
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