Die Orpheus-Prophezeiung: Thriller (German Edition)
hatte. Dass es im Zusammenhang mit einem Schließfach passiert war.
Jemand von der Polizei hatte der Presse wohl einen Tipp gegeben. Chloe hatte Mara immer davor gewarnt, in der Öffentlichkeit zu viel zu sagen, zu viel preiszugeben.
Chloe …
Mara wollte nach ihrem Handy greifen, aber das musste noch neben der Matratze liegen, wo sie es in der Nacht hingelegt hatte.
»Jojo, gib mir bitte mal mein Telefon.« Mara deutete hinüber. Das Mädchen war froh, dass es etwas zu tun bekam. Wenn Mara nicht aufpasste, folgte Jojo ihr wie ein Hund. Aber sie konnte keinen Hund gebrauchen. Eigentlich schade. Denn Jojo war der einzige Mensch, von dem sie im Moment einigermaßen sicher sein konnte, dass er auf ihrer Seite war.
»Hier«, sagte Jojo, legte das Handy hin und stellte sich wieder in Position, als würde sie auf neue Aufträge warten.
»Kannst du mir noch einen Kaffee holen?«, fragte Mara.
Das Mädchen setzte sich sofort in Bewegung und ging hinaus. Als sie die Tür des Bauwagens öffnete, zog der kalte Novemberwind herein. Mara hätte jetzt einiges für eine heiße Dusche gegeben.
Sie öffnete den Mailaccount. Nur wenige Personen besaßen ihre Mailadresse. Eigentlich nur Leute aus dem Businesskern. Trotzdem verirrten sich immer wieder Spams unter die wirklich wichtigen Mails. Sie löschte sie und konzentrierte sich auf das, was übrig blieb.
Vier Mails von Chloe. Eine von Gritti.
Eine von Orpheus.
Orpheus ?
Das konnte doch auch nur Spam sein.
Mara war kurz davor, die Nachricht zu löschen. Doch dann öffnete sie die Mail doch.
Hallo, Mara,
jetzt ist vielleicht der richtige Zeitpunkt gekommen, dass wir uns treffen. Es gibt einiges zu erklären. Das Zeichen auf der Violine. Dein Zeichen. Deine Herkunft. Ich möchte es nicht mehr dabei belassen, Dir an Deinem Geburtstag zu schreiben. Die Zeit wird knapp. Pass auf Deine Violine auf.
Orpheus
In ihr glühte ein Schwall von Hitze. Sie las die Worte noch einmal, dann wieder und wieder. Es war, wie sie geahnt hatte. Keines von den Ereignissen, die sie seit zwei Tagen heimsuchten, war Zufall. Etwas steckte dahinter. Dass sich der Unbekannte meldete, war das Tüpfelchen auf dem i.
Die Mail war gestern Abend abgeschickt worden. Etwa um dieselbe Zeit, als sie bei der Polizei gewesen war.
Pass auf Deine Violine auf.
Wer auch immer diese Nachricht geschrieben hatte – er hatte noch nicht wissen können, dass die Geige gestohlen worden war.
Was sollte sie tun? Ihm antworten? Aber was? Er stellte ein Treffen in Aussicht. Um ihr etwas zu erklären …
Sie las die Meldungen von Chloe und Gritti. Die PR- Managerin schrieb dasselbe, was sie gestern schon am Telefon gesagt hatte. Dass Mara zurückkommen sollte.
Chloe wiederholte das mehrere Male. Sie musste die ganze Nacht vor dem Rechner gesessen haben. Die vierte Mail war dann heute Morgen um halb sieben geschickt worden. Da hatte Chloe schon erfahren, was am Bahnhof passiert war.
Wir müssen dagegen vorgehen. Und wir müssen die Geschichte richtig ausnutzen. PR , verstehst du? Wir müssen ein Foto von der Geige herausgeben, müssen sie beschreiben. Die Fans sollen sich an der Suche beteiligen. Am besten wäre eine Belohnung. Du ahnst nicht, was wir damit erreichen können. Wir müssen auf den Mitleidsfaktor setzen. Melde Dich bitte schnell. Komm aus Deinem Versteck. Ich arbeite daran, dass Gritti doch weitermacht. Er will zwar im Moment nicht mit mir sprechen, aber ich bleibe dran …
Jojo kam mit einer fleckigen Thermoskanne und einer Tasse zurück.
Mara öffnete die Mail von Gritti.
Das Mädchen stellte Mara die Tasse hin, goss ihr Kaffee ein und setzte sich dann neben sie auf die Bank. Wartete. Wie ein Hund.
Gritti reagierte in seiner Nachricht auf Chloes Bemühungen, ihn umzustimmen.
Falls Du mit Chloe unter einer Decke steckst, will ich Dir nur sagen, dass Du damit nicht weit kommst. Ich habe alle Konten sperren lassen, um meinen finanziellen Verlust möglichst gering zu halten. Trotzdem halte ich natürlich mein Wort und werde Dir das Geld, das ich Dir aufgrund der Verträge noch schulde, auszahlen. Gib mir eine Adresse an, an die ich den Scheck schicken kann. Oder ein eigenes Konto. Falls Du noch Fragen hast, wende Dich an meinen Anwalt Mr Kohn. Unten steht seine Mailadresse.
Mara klickte die Nachricht weg. Sie hatte keine Anschrift, an die man einen Scheck schicken konnte. Und sie hatte auch kein Konto. Und gerade wurde ihr klar, dass sie so einfach auch keins bekommen würde, da sie ja keinen
Weitere Kostenlose Bücher