Die Orpheus-Prophezeiung: Thriller (German Edition)
Hehlerware.«
»Das glaube ich nicht. Derjenige oder diejenige hat sich jedes Jahr zu meinem Geburtstag gemeldet. Jahr für Jahr kam eine Karte. Es ist jemand, der meine Karriere im Auge hat. Ein Fan. Ein Mäzen. So ähnlich wie Gritti. Ich dachte manchmal sogar, er wäre es selbst gewesen.«
»Trotzdem ist die Herkunft des Instruments ungewiss. Soll ich dir was sagen? Du kannst froh sein, dass du sie los bist.«
Mara glaubte, sich verhört zu haben. »Aber diese Geige hat meine ganze Karriere begleitet. Sie gehört zu mir. Ohne sie gäbe es meine Musik nicht. Manchmal …« Sie unterbrach sich. Sollte sie das wirklich so formulieren? Warum nicht, wenn es die Wahrheit war. »Manchmal habe ich das Gefühl, nicht ich spiele sie, sondern sie spielt mich.« Sie sah Deborah an, aber es war deutlich zu erkennen, dass sie nicht wirklich verstand, was Mara meinte.
»Findest du nicht, dass du etwas übertreibst? Du hast auch schon Musik gemacht, bevor du diese spezielle Violine bekamst. Die Musik, nicht diese Geige ist dein Leben. Nur wenn du dir das klarmachst, kann es weitergehen. Alles andere ist eine fixe Idee. Wenn du dir einredest, dass alles nur an dieser Geige hängt, von der du noch nicht einmal weißt, welchen Wert sie wirklich hat, verrennst du dich in etwas, aus dem du so leicht nicht mehr rauskommst.«
Mara spürte die Enttäuschung wie ein glühendes Eisen. Gleichzeitig wurde ihr klar, dass sie Deborah nicht überfordern durfte. Ihre Stärken lagen auf anderen Gebieten. Sie war Anwältin. Keine Künstlerin. Sie brauchte Fakten, um etwas zu verstehen.
Plötzlich fiel Mara etwas ein.
Fakten!
Sie besaß ja welche!
»Ich kann dir zeigen, dass das keine Hirngespinste sind«, sagte sie.
»Was meinst du?«
»Es geschehen seltsame Dinge. Grittis Tod. Der Diebstahl der Geige. Und jetzt das …«
Sie ging ins Gästezimmer, holte ihren Laptop, stellte ihn auf den Couchtisch mit der gläsernen Platte und wartete ungeduldig, bis er hochgefahren war.
»Wie gesagt: Zunächst mal glaube ich, dass Johns Tod kein Unfall war«, sagte sie. »Das habe ich auch der Polizei schon gesagt … Und das ist noch nicht alles. Ich bin zu dem Ort gefahren, wo John umkam. Dort ist etwas sehr Seltsames passiert. Gegenüber steht ein altes Haus. Unbewohnt, soweit ich das sehen konnte. Ich hatte plötzlich das Gefühl, von dort könnte jemand den Unfall beobachtet haben. Und vielleicht gesehen haben, ob John alleine im Wagen war.«
»Ich denke, es war kein Unfall? Und wieso sollte von einem unbewohnten Haus aus jemand etwas beobachtet haben?«
»Du verstehst schon, was ich meine.« Sie schilderte die Begegnung mit dem Mann, der sich in dem Keller verborgen gehalten hatte.
Deborah verzog keine Miene. Sie hörte ernsthaft zu. »Mara, das klingt ziemlich wirr für mich«, sagte sie dann.
»Aber ich bin mir sicher. Glaubst du, ich hätte das alles geträumt?«
»Na ja … geträumt nicht gerade. Aber manchmal bildet man sich Dinge ein. Man will sozusagen, dass es geheimnisvoll oder auf andere Weise zu dem, was man denkt, passend ist – und dann biegt man sich in der Erinnerung so eine Unterhaltung zurecht.«
»Ich verstehe nicht, was du meinst.«
»Mara, es kann sein, dass es diesen Mann gegeben hat. Aber vielleicht war es einfach ein Verrückter.«
»Aber er kannte meinen Namen. Er hat mich angesprochen. Er hat mich sogar gewarnt. Vor irgendwelchen Sachen, die aus meiner Vergangenheit kommen. Ich habe es selbst nicht richtig verstanden, aber es klang so, als würde er mich kennen … Und das schon lange.«
»Siehst du, genau das meine ich. Bist du wirklich hundertprozentig sicher, dass er deinen Namen gesagt hat? Ich meine, ganz und gar sicher, nicht hundert- sondern tausendprozentig? Denn wenn du dir dieses Detail nur eingebildet hast, oder wenn du dich falsch erinnert hast, wenn du unbewusst etwas dazuerfunden hast, stimmt es doch nicht. Alles fällt in sich zusammen. Dann war es nur ein Obdachloser, der Angst vor dir hatte und seltsames Zeug vor sich hin brabbelte.« Deborah lächelte Mara an wie eine Mutter, die sich über die Dummheit ihrer Tochter wohlwollend lustig macht. »Mara, ich kenne dich gut genug, um zu wissen, womit dich der Unbekannte in Angst und Schrecken versetzt hat. Dir braucht man nur mit deiner Vergangenheit zu kommen. Mit irgendwas über deine künstlerische Bestimmung. Mit irgendwas Spirituellem eben … Das alles subsumiere ich unter esoterisches Zeug. Und irgend so etwas wird es gewesen sein.«
Der
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