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Die Orpheus-Prophezeiung: Thriller (German Edition)

Die Orpheus-Prophezeiung: Thriller (German Edition)

Titel: Die Orpheus-Prophezeiung: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Buslau
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darüber, wie sich das unterschied – was er heute war und was er damals sein wollte.
    Und all das beschwor Maras Musik herauf.
    Als Mara die Finger laufen ließ, geschah das ohne bewusste Entscheidung und ohne Planung. Als sei der musizierende Teil von ihr zu einem eigenen Wesen geworden und habe sich mit der Geige verbündet und als betrachte der andere, der denkende Teil diese Verbindung von außen.
    Irgendwann öffnete Mara die Augen und stellte fest, dass der Kronleuchter erloschen war. Hatte Deborah noch einmal das Zimmer betreten und ihn ausgemacht? Nein, sie erinnerte sich vage, dass sie selbst den Lichtschalter betätigt hatte. Der helle Schein hatte sie gestört, sie hatte ihn empfunden wie eine Verbrennung. Wenn sie mit sich, ihrer Geige und ihrer Musik alleine sein wollte, brauchte sie kein Licht.
    Und so spielte sie in totaler Dunkelheit.
    Deborah hatte also Johns Platz eingenommen. Und sie sollte Deborah vertrauen?
    Sie ließ ihr die Wahl …
    Mara dachte an die Orpheus-Sage, und die Erinnerung überlagerte sich mit der Geschichte der Sekte, deren Geige sie wahrscheinlich in der Hand hielt.
    Sie sollte sich nichts vormachen. Deborah war eine Verbrecherin. Mara konnte unmöglich auf ihren Vorschlag eingehen. Sie würde die Polizei benachrichtigen und aussagen, was sie wusste. Dass Deborah und dieser Mann für Johns Tod verantwortlich waren.
    Doch da nagten Zweifel. Konnte sie das denn auch beweisen? Bisher beruhte alles auf Deborahs Aussage, auf nichts anderem. Welche weiteren Indizien gab es denn dafür, dass das stimmte, was sie gesagt hatte?
    Mara ließ den Gedanken Raum, sie ließ zu, dass sich ihr Geist nun doch der Musik näherte, die ihre Finger die ganze Zeit erzeugten. Sie befand sich jetzt in der soundsovielten Wiederholung ihres Liedes »Yearning«, mit dem sie einfach begonnen hatte, ohne nachzudenken. Und wie von selbst brachte sie unablässig neue Variationen hervor, über die ihr zweites Ich staunte.
    Du musst versuchen, hier rauszukommen, sagte sie sich. Du musst fliehen.
    Aber sollte sie nicht wenigstens zum Schein mit Deborah zusammenarbeiten? Damit sie keinen Verdacht schöpfte?
    Wie sehr brauchte Deborah sie?
    Das Licht flammte auf.
    Deborah stand im Zimmer.
    Mara war wie aus einem seligen Traum gerissen. Sie brach ihr Spiel ab und blinzelte.
    »Wie hast du dich entschieden?«
    Ich habe mich entschieden, weiter Musik zu machen, dachte Mara und hielt die Geige noch fester an ihrem Oberkörper. Ich möchte immer und ewig Musik machen. Wenn diese Geige ein Wunder ist, wenn sie Musik hervorbringen kann, welche die Menschen in einen schönen Traum versetzt, umso besser. Aber mir geht es zuallererst darum, dass ich mir diesen Traum selbst schaffe. Dass ich ganz alleine bin auf der Welt. Ganz alleine mit meiner Musik.
    »Du zögerst? War dein Geigenspiel nicht so etwas wie Nachdenken für dich? Du hast drei Stunden gespielt, gefiedelt, uns in der Wohnung auf Trab gehalten. Hast du nicht mal drüber nachgedacht, was die Nachbarn sagen?« Deborah lächelte, aber ihr Lächeln war gemein.
    Nachbarn?, dachte Mara. Gab es hier etwa Nachbarn, die sie um Hilfe bitten konnte? Doch dann verstand sie, dass Deborah nur einen Witz gemacht hatte.
    »Du zögerst zu lange, Mara Thorn.«
    Es traf Mara wie ein Schwerthieb mitten in die Brust. Hieß das etwa …
    Sie blieb stocksteif stehen, die Geige im Arm wie ein Baby, das man gegen die Bosheit dieser Welt verteidigen musste.
    Hinter Deborah näherten sich Schritte. Der Mann betrat den Raum. Mit einer einzigen Bewegung hatte er ihr Tamara aus dem Arm gewunden, das Instrument zur Seite gelegt und Mara denselben Arm so brutal auf den Rücken gedreht, dass sie vor Schmerz aufschrie. Plötzlich hatte sie etwas Dunkles über dem Kopf. An ihren Handgelenken klickte es. Sie wurde weggezogen. Kälte umfing sie und zeigte ihr, dass sie im Freien waren. Sie versuchte zu schreien, aber etwas Hartes wurde ihr auf den Mund gepresst. Man stieß sie über eine Metallkante, die ihr an die Schienbeine knallte. Sie verlor das Gleichgewicht und fiel vornüber. Die Handschellen gruben sich schmerzhaft in ihr Becken, als sie aufkam.
    Ein schwerer Dieselmotor röhrte auf, und in Mara wurde eine Erinnerung wach. Nach dem Überfall am Parkhaus, der ihr jetzt vorkam, als sei er Jahre her, hatte man sie ebenfalls hier hineinverfrachtet.
    Maras Schultern schmerzten, und die Vibrationen des Wagens machten die Qual noch schlimmer.
    Immerhin gelang es ihr, ruhig durchzuatmen. Aber sie

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