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Die Päpstin

Titel: Die Päpstin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Haufen warf. Dann nahm er einen tiefen Atemzug und steckte den Arm ins Wasser.
    Sein Gesicht verzerrte sich vor Schmerz, als das kochende Wasser ihm die Haut verbrühte. Mit hektischen Bewegungen suchte
     er auf der Jagd nach dem Ring den Boden des Kessels ab. Ein wütendes Heulen entstieg seiner Kehle, als der Ring ihm durch
     die Hand glitt. Seine schmerzgepeinigten Finger zuckten, tasteten, fuhren wild umher und –
Deo Gratias!
– schlossen sich um den Ring. Hunald zog den Arm aus dem Wasser und hielt das Schmuckstück in die Höhe.
    »Aaaaah.« Ein Stöhnen durchlief die Zuschauermenge, als sie Hunalds Arm sah. Jetzt schon bildeten sich Blasen und Brandwunden
     auf der glutroten Haut.
    »Vierzehn Tage«, verkündete Gerold, »sollen der Zeitraum für das Urteil Gottes sein.«
    In der Menge gab es Bewegung, doch kein Laut des Widerspruchs erhob sich. Jeder hatte den Urteilsspruch begriffen: Falls die
     Wunden an Hunalds Hand und Arm binnen zweier Wochen verheilten, war seine Unschuld bewiesen, und das Vieh gehörte ihm. Falls
     keine Heilung eintrat, hatte er sich des Diebstahls schuldig gemacht, und das Vieh wurde seinem rechtmäßigen Besitzer Abo
     zurückgegeben.
    Was Gerold betraf, bezweifelte er, daß die Wunden in so |224| kurzer Zeit heilten. Aber genau das war seine Absicht gewesen; denn für ihn stand so gut wie fest, daß Hunald sich des Verbrechens
     schuldig gemacht hatte. Und falls Hunalds Wunden tatsächlich in dem eingeräumten Zeitraum verheilen sollten – nun ja, dann
     würde die Leidensprobe dafür sorgen, daß er es sich in Zukunft zweimal überlegte, bevor er seinem Nachbarn das Vieh stahl.
     Es war eine unzuverlässige und grobe Form der Rechtsprechung; aber mehr gaben die Gesetze nun einmal nicht her, und es war
     immer noch besser als gar nichts.
Lex dura, sed lex.
Die kaiserlichen Statuten waren die einzigen Säulen, die in diesen Zeiten innerer Unordnung einen Rest von Rechtsstaatlichkeit
     trugen; fielen auch sie, mochte Gott allein wissen, welche Stürme über das Land jagten und die Schwachen und Mächtigen gleichermaßen
     hinwegfegten.
    »Rufe den nächsten Fall auf, Frambert.«
    »Aelfric beschuldigt Fulrad, ihm nicht das rechtmäßig zustehende Blutgeld zu bezahlen.«
    Dieser Fall schien ziemlich eindeutig zu sein. Fulrads Sohn Tenbert, ein Junge von sechzehn Jahren, hatte ein junges Mädchen
     ermordet, eine von Aelfrics
colonae
. Das Verbrechen als solches stand nicht zur Verhandlung, nur die Höhe des Blutgeldes. Die Gesetze, das
wergeld
betreffend, waren für jeden Bürger des kaiserlichen Reiches genau festgelegt und hingen von dessen Stand, von den Eigentumsverhältnissen,
     dem Alter und dem Geschlecht ab.
    »Es war ihre eigene Schuld«, sagte Tenbert, ein großer, schlaksiger junger Bursche mit fleckiger Haut und einem mürrischen
     Gesichtsausdruck. »Und sie war bloß eine
colona
. Sie hätte sich nicht so wild gegen mich wehren sollen.«
    »Er hat sie vergewaltigt«, erklärte Aelfric. »Er lief ihr zufällig über den Weg, als sie auf meinem Weinberg bei der Traubenlese
     war, und fand Gefallen an ihr. Sie war erst zwölf Winter jung; ein hübsches kleines Ding – aber immer noch ein Kind, wirklich;
     sie wußte nicht, um was es dem Burschen ging. Sie glaubte, er wollte ihr mit dem Messer oder sonst etwas ein Leid antun. Als
     sie sich ihm nicht freiwillig hingab, da hat er sie bewußtlos geschlagen.« Lautes, anhaltendes Gemurmel erhob sich in der
     Menge, und Aelfric hielt inne, um diese Reaktion auf Gerold einwirken zu lassen. »Sie starb tags darauf«, fuhr er schließlich
     fort, »blutig und zerschunden. Bis zuletzt rief sie nach ihrer Mutter.«
    |225| »Du hast keinen Grund, dich zu beklagen!« meldete sich Fulrad, Tenberts Vater, hitzig zu Wort. »Habe ich dir das
wergeld
nicht in der Woche darauf bezahlt? Fünfzig goldene
solidi
! Eine großzügige Summe! Dabei war das Mädchen nichts weiter als eine deiner hörigen Landarbeiterinnen!«
    »Aber das Mädchen ist tot! Sie kann sich nicht mehr um meine Trauben kümmern. Und ihre Mutter, eine meiner besten Weberinnen,
     hat vor Kummer den Verstand verloren und ist zu nichts mehr zu gebrauchen. Ich fordere ein angemessenes
wergeld
– hundert goldene
solidi

    »Das ist eine Unverschämtheit!« Bittend wandte Fulrad sich Gerold zu, die Arme weit ausgebreitet. »Edler Herr! Von dem Geld,
     das wir Aelfric bezahlt haben, kann er sich zwanzig gute Milchkühe kaufen! Und die sind – wie jedermann weiß – viel

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