Die Pan-Trilogie, Band 1: Das geheime Vermächtnis des Pan (German Edition)
sämtlicher Mädchen und erhört sie, wo er kann. Ich werde mich hüten und mich in der Schlange einreihen.«
Karl lächelte und schnupperte wieder an meinem Haar. Mir fiel auf, dass er auch sauber roch. Ich begann zu zittern. Hunger verursachte anscheinend nicht nur Kopfschmerzen, sondern auch Kälte. Karl rückte näher zu mir und ich wehrte mich nicht. Er war angenehm warm. Jede Wärmequelle war willkommen.
»Warum haben sie mich noch nicht umgebracht?«, flüsterte ich meine Gedanken laut aussprechend.
Karl versteifte sich. Ich lehnte mich ein wenig zurück und sah ihn an. Er schien zu zögern. Wusste er etwas?
»Sag nur, du weißt warum.«
Er biss sich auf die Unterlippe. »Ich glaube, die wollten sowieso nur dich.«
Ich starrte ihn an.
»Als du ohnmächtig warst, habe ich sie deinen Namen sagen hören. Mich haben sie wahrscheinlich nur mitgenommen, weil ich zur falschen Zeit am falschen Ort war.«
Ich konnte nicht sprechen. Ich konnte nicht richtig denken. Mich? Die hatten
mich
entführen wollen? Weshalb? Ich war fremd hier. Unbekannt. Nur Lee wusste Bescheid. Obwohl … »Man hatte uns verfolgt«, murmelte ich mehr zu mir selbst als zu Karl. »Wir hatten sie doch abgehängt. Wie haben sie uns gefunden?« Und dann kam mir ein weiterer schrecklicher Gedanke. »Haben sie Lee auch gefunden?«
»Das glaube ich nicht«, beruhigte mich Karl. »Sie sprachen allein von dir. Die Frage ist nur, wie konnten sie in Vaters Burg gelangen? Wir schließen abends die Tore. Entweder haben sie sich tagsüber eingeschlichen oder wir haben einen Verräter unter unseren Männern.« Er kniff die Augen zusammen und fügte entschlossen hinzu. »Das werde ich herausfinden und dann Gnade ihm Gott.«
Ich sah Karl in die Augen. »Was ist eigentlich genau geschehen an dem Abend?«
Karl wirkte mit einem Mal verlegen. »Mein Pferd hatte nachmittags ein wenig gehinkt und ich wollte noch einmal nach ihm sehen. Aber da waren drei Männer im Stall, die ich nicht kannte. Als ich laut um Hilfe rufen wollte, überwältigten sie mich. Dann standest du in der Tür und der lange, drahtige Bursche mit den kleinen Knopfaugen gab dir eins über den Schädel. Sie fesselten und knebelten mich und steckten mich in einen Sack. Ich bekam mit, dass wir über die Palisade gehoben wurden. Erst als wir eine Tagesreise hinter uns hatten, lösten sie meine Fesseln und den Knebel. Das ist jetzt zwei Tage her.«
Zwei Tage! War ich so lange ohne Bewusstsein gewesen?
»Ich habe manchmal schon gedacht, du wärst tot, weil du nicht zu dir gekommen bist«, erklärte Karl. Eine Weile hingen wir unseren Gedanken nach. Schließlich seufzte Karl. »Früher oder später werden sie sich mit meinem Vater in Verbindung setzen und dann kommen wir frei.«
»Du kommst frei«, korrigierte ich ihn. »Ich bezweifle allerdings, dass dein Vater Geld für eine unbekannte Britin ausgibt.«
»Du bist auch Vater aufgefallen.«
Ich war so in Gedanken versunken, dass ich einen Moment brauchte, ehe mir aufging, was er gesagt hatte. »Wie meinst du das?«
»Ich sagte doch, dein Haar hat golden geschimmert.« Er nahm wieder eine Strähne. »Er hat sich nach dir erkundigt. Nach dir und deinem Begleiter Lee. Ihr beide seid ein auffallend schönes Paar.«
Lee ja. Ich definitiv nicht. Aber wir befanden uns im frühen Mittelalter und ich hatte gesehen, wie die meisten Frauen hier aussahen. Arm. Heruntergekommen. Ungepflegt. Die römischen Bäder lagen Jahrhunderte zurück. Vielleicht hatte man im Mittelalter eine andere Definition von Schönheit, zumindest in Bezug auf Sauberkeit, glänzendes Haar und weiße Zähne.
Karl gähnte und ich tat es ihm nach. Das gleichmäßige Schunkeln unseres Karrens und die Wärme des Jungen, lullten mich zunehmend ein. Ich dachte, wenn ich schlief, hätte ich auch keinen Hunger mehr. Also schloss ich die Augen und versuchte mir den Moment auszumalen, in dem Lee uns einholte.
Etwas hatte mich geweckt. Bei Einbruch der Dunkelheit hatten wir wieder auf einer Lichtung angehalten. Ein Feuer war entzündet worden und wenig später hatte es etwas Trockenfleisch und Brot gegeben. Satt wurde ich nicht, aber es reichte. Dann hatten sich alle hingelegt. Karl hatte sich dicht zu mir gerobbt, und wenige Minuten später waren wir eingeschlafen.
Aber jetzt war ich hellwach. Ich horchte, doch um mich herum war Stille. Kein Käuzchen rief, kein Wind wehte. Trotzdem war ich wach. Hatte Lee uns gefunden? Ich öffnete die Augen und sah mich um. Es waren wohl ein paar
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