Die Pan-Trilogie, Band 1: Das geheime Vermächtnis des Pan (German Edition)
irgendjemand an dieser Schule Felicity Stratton gerügt. Oder es auch nur ansatzweise versucht. Nicht einmal ein Lehrer.
Wahrscheinlich verstand Felicity deshalb nicht, was Lee hatte sagen wollen, denn sie säuselte: »Was meinst du, warum ich dich alleine sprechen wollte?«
Keiner von uns hatte mit Lees Reaktion gerechnet.
»Danke für die Einladung. Ich sagte jetzt mal im Namen von uns allen zu.«
Ich wusste, in diesem Moment sahen wir alle aus wie Deppen. Corey, Nicole, Phyllis und mir hing vor Staunen der Mund weit offen, Jayden sabberte tatsächlich. Nur Ruby rutschte die Gabel aus der Hand. Aber das konnte Zufall sein, weil sie die ganze Zeit über in die Ferne gestarrt hatte. Das Scheppern ließ mich wenigstens wieder zur Besinnung kommen. Schnell klappte ich meinen Mund zu und registrierte Felicitys Blick auf uns sechs sprachlose Gestalten. Ich wusste, was sie dachte. In diesem Moment hätte wohl jeder das Gleiche gedacht. Wir mussten wirken wie eine Kolonie entlaufener Tiere aus dem Zoo.
Darauf konnte Felicity kaum etwas erwidern, ohne Lee vor den Kopf zu stoßen – was sie ganz sicher nicht wollte. Also erhob sie sich wie in Trance und ging zu ihrem Platz zurück. Und wir erholten uns aus unserer Erstarrung.
Corey grinste Lee breit an. »Wow. Eine Einladung bei den Newmarkets. Das wird vermutlich die erste und letzte sein, die wir je erhalten.«
»Was zieht man auf so einer Anti-Halloween-Party an?«, fragte Nicole Phyllis. Die zuckte mit den Achseln und sah Ruby an.
»Wir können uns heute Nachmittag treffen und unsere Schränke nach was Passendem durchwühlen«, bot sie erstaunlich geistesgegenwärtig an.
»Fangen wir bei dir an, Felicity?«, fragte Phyllis.
Ich schüttelte den Kopf. »Ich kann nicht. Ich habe Mum versprochen am Freitag im Pub zu helfen.«
»Du kannst doch nicht dauernd für deine Mutter schuften«, sagte Jayden missbilligend. »Du verdienst nicht mal Geld. Du bist erst achtzehn und rackerst, als wärst du Mitte Dreißig und müsstest eine Familie ernähren. Du könntest dir auch mal ein wenig Spaß gönnen.«
»Jayden hat recht«, sagte Phyllis. »Ich rede mit deiner Mutter. Du kommst mit.«
Mist. Wenn Phyllis meine Mutter fragte, durfte ich gehen. Ich wollte nicht zu Cynthia Newmarket. Mal davon abgesehen, dass sie zum Star Club gehörte und uns bisher von oben herab behandelt hatte, war sie auch noch rumpeldumm und verließ sich ganz auf ihr Aussehen und den Einfluss ihrer Eltern.
Ein kurzer Blick zum Tisch des Star Clubs zeigte uns allen, wie aufgebracht Cynthia über Felicitys Neuigkeiten war. Sie rang die Hände und starrte wutentbrannt zu uns rüber.
»Ui, ein Grund mehr zu gehen«, meinte Corey gutgelaunt und lehnte sich zufrieden auf seinem Stuhl zurück.
»Die stinkende Stadt kommt mir nicht ins Haus! Meine Eltern sollen nicht denken, ich hänge mit Alkoholikern rum«, tönte Cynthias Gekreische bis zu uns.
Ich fühlte, wie mir das Blut aus dem Magen in den Kopf stieg. Auf einmal bekam mir Matildas heutiges Gericht gar nicht mehr gut – ich fühlte es wieder hochkommen. »Entschuldigt mich«, murmelte ich und sprang auf. Ich musste so schnell wie möglich zur Toilette, sonst würde ich mich hier vor aller Augen übergeben.
Aber ehe ich die Cafeteria fluchtartig verlassen konnte, fühlte ich einen festen Arm um meine Taille. Der elektrische Impuls sowie ein Duft nach Heu und Moos verrieten ihn.
»Du musst jetzt tief durchatmen und langsamer gehen«, sagte Lee, sein Kopf dicht neben meinem. »Halte dich gerade und zeige ihnen, dass sie dich nicht treffen können.«
Ich wollte ihm antworten, dass ich mich gleich in die Mitte der Cafeteria übergeben würde, wenn ich nicht schneller ging, als ich bemerkte, dass das nicht stimmte. Mein Magen rebellierte nicht mehr. Ich fühlte mich besser. Trotz Lees Arm um meine Hüfte und seinem Kopf so dicht an meinem, als wollte er mich küssen. Oder vielleicht deshalb?
Wir erreichten den Schulhof und es ging mir wesentlich besser. Vorsichtig schälte ich mich aus seinem Arm.
»Äh, danke«, sagte ich. »Du hast mich schon wieder gerettet.«
Er lächelte nicht. »Gern geschehen«, sagte er nur und betrachtete mich. Er lehnte sich gegen eine der Säulen im Innenhof und steckte die Hände in die Hosentaschen.
Diese Geste kam mir seltsam vertraut vor.
Und plötzlich durchzuckte es mich wieder.
Ich kannte ihn.
Die Frage war nur, woher?
»Weshalb lässt du dir das gefallen?«, fragte Lee und riss mich aus meinen
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