Die Pan-Trilogie, Band 1: Das geheime Vermächtnis des Pan (German Edition)
schlich auf Zehenspitzen den Gang entlang. Ich öffnete die erste Tür: ein Salon, der passend zum Gästezimmer im Jugendstil eingerichtet. Die zweite Tür führte in eine Art Musikzimmer. Ein Flügel und eine Harfe standen darin. Jetzt fehlten nur noch der Frack tragende Butler und mit Schürzen bekleidete Hausmädchen. Hier sah es aus, wie in Downton Abbey. Eine weitere Tür führte in eine gut bestückte Bibliothek, wieder eine andere in ein Büro – beide sahen aus, wie aus einem anderen Jahrhundert. Erst im Erdgeschoß wurde ich fündig. Allerdings war die Küche hell erleuchtet und ich war anscheinend nicht die einzige, die Hunger hatte.
Lee stand an einem Tisch und machte sich ein Sandwich. Ich war mir ziemlich sicher, kein Geräusch gemacht zu haben, aber er sah trotzdem auf.
Verlegen stand ich im Türrahmen. »Hast du noch was für mich übrig?«
Er lächelte wieder so zauberhaft wie vorhin. »Setz dich. Magst du Schinken?«
Ich nickte und setzte mich auf einen der Stühle. Die Küche sah aus wie der Rest des Hauses: antik.
»Hier meint man, die Zeit wäre stehengeblieben«, sagte ich und betrachtete den riesigen Büffetschrank links von mir. »Gibt es hier auch einen Keller, den man nur durch eine Klappe im Boden betreten kann?«
Lee grinste schief und deutete mit einem Kopfnicken rechts hinter mich. Ich drehte mich um und sah neben einem runden Kamin mit riesigem Fleischspieß die Holzklappe mit Eisenring.
»Wahnsinn«, sagte ich. »Ist das Haus alter Familienbesitz?«
»Nein. Mein Vater hat es vor vielen Jahren gekauft und alles so belassen, wie es war.« Er reichte mir einen Teller mit einem Sandwich darauf, das Subway alle Ehre machte. Extra viel Salat, eine leckere Mayonnaise, gekochter Schinken und eine Scheibe Käse dazwischen.
»Danke«, sagte ich und biss zu. Köstlich. Besser als jedes Subway-Sandwich. Anerkennend hob ich die Augenbrauen. »Das ist total lecker.«
»Danke. Das nächste mit Thunfisch?«
Ich aß auch das und trank dabei Wasser mit Pfefferminzgeschmack.
»Bist du müde?«, fragte Lee, als wir alles weggeräumt hatten.
»Nein, gar nicht.«
»Magst du dir einen Film anschauen?«
»Gibt es in diesem Museum tatsächlich einen Fernseher oder bietest du Unterhaltungsprogramm mit der Harfe?«
Er lachte. »In meinem Zimmer, falls du dich erinnerst.«
O klar. Der riesige Flachbildschirm. Ich folgte ihm die drei Stockwerke nach oben. Sein modernes Zimmer war wirklich ein Kontrast zum Rest des Hauses. Ich machte es mir auf der Couch gemütlich, während er mir seine DVDs aufzählte. Letztendlich ließ ich ihn entscheiden und Lee wählte einen amerikanischen Actionstreifen, der erst vor Kurzem erschienen war. Wir schauten eine halbe Stunde, in der eine Ballerei die nächste Knallerei ablöste. Es war nicht wirklich fesselnd.
Plötzlich sagte ich: »Mum hat mir heute eröffnet, ich sei nicht gemacht für ein Studium. Und außerdem hat sie mein College-Geld dem Finanzamt geben müssen.«
Er sah mich an und ich fühlte wieder einen Kloß im Hals.
»Das kann sie doch nicht machen?«, meinte er erschrocken.
»Sie hat es schon getan. Sie ist total pleite. Der Pub ist total veraltet, ihre Putzfrau zieht ihr den letzten Penny aus der Tasche und am Tresen kleben drei Alkoholiker, die in sie verschossen sind. Und ich soll es ihr nachmachen.«
Auf dem Bildschirm sprang der Held gerade durch ein Fenster und das Glas zerbarst mit einem lauten Knall in tausend Splitter. Genauso wie meine Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Ich fühlte Lees Arm um meine Schultern. Er zog mich zu sich. Solange sich unsere Haut nicht berührte, fühlte ich auch keinen elektrischen Schlag. Stattdessen fühlte ich mich in diesem Moment geborgen.
»Was hast du jetzt vor?«, fragte er und hielt mich weiter fest an sich gepresst.
»Ich muss mir einen Job suchen, mit dem ich Geld verdiene«, murmelte ich.
»Und deine Mutter?«, hakte er weiter.
»Was soll mit ihr sein?«
»Wie willst du dich gegen sie durchsetzen?«
Es gab nur einen Weg das herauszufinden.
»Und wirst du die Courage haben, sie alleine zu lassen?«
Daran hatte ich noch gar nicht gedacht. Würde ich damit leben können, dass sie - wegen mir – ihren Pub aufgeben musste? Aus der Wohnung ausziehen musste? Ich sah auf den Bildschirm, nahm aber nichts mehr wahr. Meine Kehle war wie zugeschnürt. »Ich glaube nicht. Ich werde genauso enden wie sie.«
»Nein, das wirst du nicht«, sagte er bestimmt. Er schob mich ein wenig weg von sich und sah
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