Die Pan-Trilogie, Band 1: Das geheime Vermächtnis des Pan (German Edition)
das Atelier, Phyllis«, wehrte ich ab. »Ich habe momentan eine Unterkunft. Lee wohnt in einem riesigen Haus und hat mir das Gästezimmer überlassen.«
Phyllis sah mich durchdringend an. »Wenn ich dich nicht so gut kennen würde, würde ich behaupten, du stehst auf ihn und kannst diese Chance nicht ungenutzt lassen.« Sie musterte eingehend mein Gesicht. »Aber da du Felicity Morgan heißt und dieser Sahneschnitte bislang aus dem Weg gegangen bist, wo du nur konntest, bin ich einfach nur überrascht.«
Ich lächelte sie warm an. »Ich bin selber überrascht. Aber er wohnt da allein, weil sein Vater viel unterwegs ist. Und dann braucht wenigstens niemand sein Atelier zu räumen.«
Und weil Phyllis mich so gut kannte, akzeptierte sie ohne weitere Kommentare meine Erklärung.
Tatsächlich war es seltsam, nach der Schule mit Lee gemeinsam nach Hause zu gehen. Es war eine neue Erfahrung den Tag mit jemandem zu teilen. Wir machten einen Abstecher zu einem kleinen Lebensmittelladen und Lee kaufte für das Abendessen ein. Zwei Steaks, was bedeutete, dass sein Vater wieder nicht dabei wäre.
Wir kochten gemeinsam, machten gemeinsam die Hausaufgaben und sahen gemeinsam vor dem riesigen Bildschirm in seinem Zimmer ein wenig fern. Als ich später im Bett lag, dachte ich, dass meine Träume von der Zukunft in etwa genauso waren. Aber mir war durchaus bewusst, diese Zeit hier war nur vorübergehend. In ein paar Tagen musste ich nach Hause.
Lee joggte mit mir und Jayden durch den Hyde Park.
»Sagt deine Mutter nichts, wenn du bei ihm wohnst?«, keuchte Jayden neben mir.
Damit hatte er einen wunden Punkt getroffen. Ich konnte nicht antworten. Das tat Lee für mich.
»Sie hat sich nicht dazu geäußert«, sagte er in einem missbilligenden Tonfall, den ich noch nie zuvor bei ihm gehört hatte.
Jayden blieb abrupt stehen. Wir, Lee und ich, auch.
»Sie hat sich nicht bei dir gemeldet?«, hakte er ungläubig nach.
»Sie hat nicht einmal eine SMS geschickt, wo Fay überhaupt ist«, sagte Lee bissig. »Fay könnte in der Themse liegen oder in einem dunklen Keller in Belgien und Mrs Morgan würde sich nicht darum scheren.«
So peinlich es auch war, ich starrte Lee überrascht an. Ich hatte nicht gewusst, wie sehr ihn die Missachtung meiner Mutter aufregte. Mich regte sie nicht auf. Ich wusste seit jeher, dass Mum nur an ihrem Pub gelegen war. Zumindest mehr als an ihren Kindern.
»Nachdem du dir etliche Nächte für sie um die Ohren geschlagen hast, sollte man doch annehmen, du würdest ihr fehlen«, sagte Jayden und stützte die Hände auf seine Knie, um besser atmen zu können. Keine Frage: Das Joggen kostete ihn echte Überwindung. Ich rechnete ihm hoch an, dass er es trotzdem durchzog.
»Eine so günstige Arbeitskraft findet sie sonst nirgends. Vor allem nicht in London«, stimmte Lee ihm zu.
»Ich würde gerne das Thema beenden«, sagte ich in meinem strengsten Tonfall.
Lee und Jayden wechselten einen kurzen Blick. Typische nonverbale Kommunikation zwischen Jungs. Zumindest ließen sie das Thema fallen.
»Können wir weiterjoggen?«, fragte ich, um die Stille zu überspringen.
Jayden nickte und Lee trabte los.
In diesem Moment sah ich ihn.
Er stand am Albert Memorial und zwinkerte mir zu. Ich blieb abrupt stehen. Jayden und Lee, die wegen unserer Diskussion noch immer schwiegen, bekamen das augenblicklich mit und blieben ebenfalls stehen.
»Was ist los, City?«, fragte Jayden und stöhnte. »Bist du jetzt sauer, nur weil mal jemand die Wahrheit sagt?«
Aber Lee sah genau in die gleiche Richtung wie ich. Hatte er ihn auch gesehen? Denn er war verschwunden. Einfach so. Von jetzt auf gleich. Weg. Wie die Zauberer aus Harry Potter mit ihrem Apparieren. Nur, dass es nicht geknallt hatte. Ich sah zu Lee neben mir. Er musterte mich mit einem seltsamen Gesichtsausdruck.
»Also, ich bin hier zum Joggen und nicht, um dauernd Pausen einzulegen«, erklärte Jayden und trabte weiter.
Ich schloss sofort auf. Wenn ich nicht so verwirrt gewesen wäre, wäre mir vielleicht da schon etwas in den Sinn gekommen, das mich vor allen weiteren Geschehnissen gewarnt hätte.
Irgendetwas hatte mich geweckt. Langsam versuchte ich zu mir zu kommen und zu analysieren, was nicht stimmte. Dann hörte ich leise Stimmen. Nicht mehr als ein Flüstern. Da war jemand! So ein Unsinn, natürlich war da jemand. Ich war bei Lee. Wahrscheinlich war sein Vater doch einmal zu Hause. Das machte mich neugierig. Ob Lee ihm ähnlich sah? Und wie sah ein
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