Die Pan-Trilogie, Band 1: Das geheime Vermächtnis des Pan (German Edition)
Covent Garden. Die Bedienungen waren ausschließlich junge, schlanke, schöne Leute, die mit Witz und Charme die Getränke servierten. Aber ich wollte Lee nicht vor den Kopf stoßen. »Ich kann mich ja mal vorstellen gehen.«
»Hast du für heute etwas Besonderes vor?«, fragte Lee nach einem Sandwich und der ersten Tasse Kaffee.
Ich biss in meinen Toast und zuckte die Schultern. »Ich dachte, ich gehe mich vorstellen bei sämtlichen Jobs, die was für mich wären.«
Lee nickte.
»Nachdem ich dir beim Putzen geholfen habe.«
Jetzt sah er auf und grinste spöttisch. »Weshalb?«
»Ist das nicht das Mindeste? Immerhin darf ich bei dir wohnen.«
»Nein, ich meine weshalb willst du putzen? Es ist doch alles ordentlich.«
Ich wollte auf die Krümel auf dem alten Schneidebrett hinweisen, aber sie waren verschwunden. Mit offenem Mund starrte ich darauf. Ich hatte genau gesehen, dass dort alles vollgekrümelt gewesen war, als er den Toast aus der Tüte gezogen hatte.
In den letzten drei Tagen hatte ich sämtliche Stellenangebote abgeklappert. In den meisten Bars hatte man mir eine Absage erteilt – wie ich es vorausgesehen hatte. Erst im letzten hatte ich drei Probetermine zum Arbeiten bekommen. Ich hätte schlafen müssen wie ein Stein. Stattdessen wurde ich wach, als draußen auf dem Berkeley Square eine Uhr Zwölf schlug. Auch wenn ich sofort wusste, wo ich mich befand, brauchte ich einen Moment, um regsitrieren, was mich geweckt hatte. Ich hatte geträumt. Einen sehr unheimlichen Traum.
Gesehen hatte ich nicht wirklich was. Ich stand auf einem Anger an der Küste nahe Trethevy, meinem Heimatort in Cornwall. In der Ferne erhoben sich die Klippen von Tintagel. Ich flocht Blumenkränze. Das hatte ich schon immer gern getan. Auf einmal sah ich aus den Augenwinkeln etwas über dem Felsen. Drachenflieger? Ich sah genauer hin, konnte aber keinen dieser bunten Flieger entdecken. Als ich hinlaufen wollte, um nachzusehen, ob jemandem etwas passiert war, sah ich es wieder. Es sah aus wie der Flügel eines Flugsauriers. Und dann knurrte es laut.
In diesem Moment hatte ich die Augen aufgeschlagen. Erschrocken hörte ich wieder das Knurren. Aber dann lachte ich selber. Mein Magen knurrte. Ich hatte
Hunger
. Seit dem Frühstück hatte ich nichts mehr gegessen und bis zum Frühstück würde ich nicht mehr warten können. Mir war regelrecht übel vor Hunger. Ich knipste die Nachttischlampe an und ging zur Tür. Hoffentlich weckte ich Lee nicht. Er schien Fledermausohren zu besitzen.
Ich war nicht allein auf, stellte ich fest, als ich die Tür öffnete. Im Flur unterhielt sich jemand. Schon wieder. Ich zwickte mich fest in den Unterarm, um mich zu vergewissern, dass ich wach war. Au! Schnell verkniff ich einen Aufschrei. Wacher konnte man nicht sein. Meine Fingernägelabdrücke hatten tiefe Rillen hinterlassen, die sich blau färbten. Die Stimmen waren gedämpft und kamen von der Treppe. Männerstimmen, die auf jemanden einredeten. Ziemlich energisch sogar.
»… rangehen. Die Zeit wird immer knapper. Calum hat irgendetwas vor.« Die Stimme zischte.
»Er hat es verbockt«, sagte eine sehr tiefe Stimme gedämpft.
»Zugegeben, sie sieht nicht …« Ich konnte die dritte Stimme nicht richtig verstehen und schlich noch etwas näher. »Gemäß den uralten Sagen hatte ich mir mehr erhofft«, hörte ich eine weitere Person, die nun leicht seufzte.
»Hatten wir alle«, sagte der Zischende.
»Vielleicht ist sie es nicht. Vielleicht liegt eine Verwechslung vor«, meinte der Seufzende.
»Dann haben wir ein Problem«, sagte der Bass. »Die Zeit läuft uns davon. Zu schade, dass die Sagen …«
Er schien sich weg zu drehen, denn seine Worte waren kaum mehr zu hören. Ich schlich noch näher … und erstarrte. Der alte Holzboden knarrte wie eine rostige Türangel. Panisch drückte ich mich hinter eine Kommode und erwartete jeden Moment von drei Männern entdeckt und niedergestreckt zu werden. Ich weiß nicht, wie viele Minuten ich dort kniete, aber nichts geschah. Ich hatte nicht einmal Schritte gehört. Allerdings schlug mein Herz wie wild und ich versuchte meinen Atem zu beruhigen, um überhaupt etwas zu hören. Doch die Stimmen waren verschwunden. Kein Atem, kein Rascheln war zu hören. Nur das stete Ticken einer alten Standuhr am Ende des Korridors.
Vorsichtig erhob ich mich und schlich einen Schritt weiter. Dann noch einen. An der Ecke zur Treppe presste ich mich noch einmal an die Wand und versuchte zu horchen. Mein Herz
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