Die Pan-Trilogie, Band 3: Die verborgenen Insignien des Pan (German Edition)
und ein Mädchen, die das Essen brachten. Sie sahen mich auffällig oft an. Sogar das Mädchen. Mir wurde immer beklommener zumute. Leider verließen uns die beiden auch nicht mehr und ich konnte Lee nicht fragen, was in ihren Köpfen vorging.
Als es Zeit zum Schlafengehen wurde, führte man mich in mein Zimmer und Lee wurde es untersagt, meine Gemächer zu betreten.
Ich hatte eine ruhige Nacht. Die Fürstin anscheinend auch, denn am nächsten Morgen war sie so weit genesen, dass sie den Gottesdienst besuchen wollte. Wir sollten sie begleiten. Ich konnte mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal einen Gottessdienst besucht hatte. Westminster Abbey ja, aber einen Gottesdienst? Und dann auch noch einen katholischen.
Die Fürstin legte Wert auf Pünktlichkeit. Eher gesagt, Überpünktlichkeit. Wir waren eine halbe Stunde zu früh im Gotteshaus und außer ein paar Bittstellern war niemand dort. Die Kirche war wenigstens sehenswert. Barockes Gold und Geschnörkel wechselten mit alten Fresken und einem Gerüst, wo man noch Rokoko unterzubringen versuchte.
Während ich mich umsah, fiel mir eine Pfütze am Boden auf. Da das Dach nicht undicht war und das Taufbecken noch aufrecht stand, fand ich das ungewöhnlich. Als ich daran vorbeiging, sprudelte es in der Mitte. Genau wie die Quelle auf Avalon schien auch hier das Wasser auf mich zu reagieren. Damit wäre die Frage der Pfütze geklärt. Es war eine Quelle, die sich ihren Weg gesucht hatte.
Lee hatte es nicht gesehen. Die Fürstin hing an seinem Arm, als sei er ihr persönlicher Krückstock. Eleonore von Schwarzenberg war das Gegenteil von Eleonore von Aquitanien. Sie war nicht hübsch, recht burschikos und man sah ihr die Krankheit an. Sie war extrem blass und versuchte das durch eine Menge Rouge und Kohlstift auszugleichen.
Nur eines hatte sie mit der großen Königin von England gemein: Sie himmelte Lee an. Während des Gottesdienstes ließ sie ihn nicht von ihrer Seite weichen. Ich musste zwischen der Bevölkerung Platz nehmen und ärgerte mich, dass ich nicht Kopfschmerzen vorgetäuscht hatte. Die Predigt zog sich ewig. Ich fühlte mich in die Zeit zurückversetzt, als ich Mum noch im Pub geholfen hatte und deswegen morgens im Unterricht immer kurz vorm Einschlafen war. Ich kämpfte auch jetzt gegen meine schweren Lider. War es normal, dass katholische Priester so lange predigten? Worum ging es eigentlich?
Verlockung … Finsternis … Unheil … Verderbnis … Mücken … Nacht … Oblaten … Linsen … Nutella.
REVOLUTION
Ich öffnete die Augen und war ganz allein in der Kirche. Zumindest fast. Zwei kichernde Messdiener pusteten soeben die letzten Kerzen aus. Meine Güte, wie peinlich. Wieso hatte Lee mich nicht geweckt? Ach ja, Madame Blackhill hatte ihn fest am Wickel. Als ich mich erhob, huschte etwas an der Wand entlang. Die Messdiener waren verschwunden, ich war allein in der Kirche.
Oder doch nicht …
»Du bist es!«, rief ich erfreut, als ich den Schatten erkannte.
Er nickte knapp und winkte mich zu sich.
»Übrigens, danke für den Tipp in der Bibliothek.«
Ich streckte ihm die Hände entgegen in der Hoffnung, er könne sie wieder fassen. Wie damals in Westminster Abbey, als ich das mit dem Zeitsprung nicht hinbekam. Aber er versuchte es nicht einmal. Er glitt an der Wand entlang zu der Stelle mit der Pfütze. Als ich näher trat, begann das Wasser wieder zu sprudeln.
Der Schatten deutete mir hineinzusehen. Ich blickte in das flache Wasser. Zuerst nahm ich nur die Steinquader wahr. Schon bald aber klarte sich das Bild. Die Steinquader wandelten sich zu Ziegeln, einem kleinen ziegelgemauerten Raum. In einer Ecke lag ein Tuch. Sonst konnte man nichts erkennen.
»Das Tuch?«, fragte ich den Schatten.
Er nickte.
»Was ist darin?«, wollte ich weiter wissen, doch er verschmolz mit dem Schatten einer Säule. Ich hörte Schritte.
»Wir schließen die Kirche, mein Kind.« Ein Mann im Ornat kam aus der Sakristei. Ich wandte mich zum Eingang. Der Priester rief mich noch einmal zurück. »Seid Ihr nicht das Mädchen, das im Bärengehege war?«
Super. Meine Missetaten waren bis hierher vorgedrungen. »Äh, ja«, gab ich missmutig zu.
Der Mann trat neugierig näher. »Man erzählt sich, die Bären seien vor Euch geflüchtet.«
»Das habe ich anders in Erinnerung«, wich ich aus.
»Ihr wurdet mit einem jungen Mann dort herausgeholt. Ich hoffe, er hat nicht das tun können, was alle in Krummau annehmen.«
»Was nehmen denn alle in Krummau
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