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Die Papiermacherin

Titel: Die Papiermacherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Conny Walden
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sich der Statthalter an Kentikian. Dieser verneigte sich.
    »Wie Ihr wünscht, Herr.«
    Der Hofschreiber zog sich zurück und nahm einige Dokumente mit, die Prinz Ismail wohl noch zu unterzeichnen hatte.
    »Komm näher«, sagte Prinz Ismail.
    Zögernd folgte Li dieser Aufforderung. Der Statthalter nahm das mit einem kostbaren Ledereinband versehene Buch und gab es ihr. »Du wirst es nicht lesen können. Es ist in der Sprache des Propheten. Aber die Wasserzeichen in den Seiten erkennst du bestimmt.«
    Li schlug das Buch auf. Und als sie eine einzelne Seite gegen das durch ein hohes Fenster fallende Licht hielt, erkannte sie sofort ihr Wasserzeichen – jene Rose, die sie aus dem biegsamen Metall geformt hatte.
    Zusammen mit der Schrift ergab sich ein Bild von erstaunlich vollkommen wirkender Harmonie.
    »Das Buch ist eine edle Arbeit«, sagte sie. »Womit ich nicht das Papier loben will, sondern die Arbeit des Schreibers, der mit sicherem Strich geschrieben hat – und die des Buchbinders, dessen Knoten so winzig sind, dass sie sich fast überhaupt nicht in das Papier hineindrücken.«
    »Du solltest dein Werk nicht geringschätzen, Papiermacherin«, erwiderte Prinz Ismail. »Das Papier mit seinem Wasserzeichen gibt allem das harmonische Äußere, das die Gedanken verdienen, die in diesem Buch geschrieben stehen.«
    »Ist es eine Abschrift des Korans?«, fragte Li.
    Prinz Ismail schüttelte den Kopf. »Es ist eine Schrift mit dem Titel Ma’akhidh al Shara’i , die von unserem großen Gelehrten Abu Mansur al-Maturidi stammt. Er hat vor einem Menschenalter die Grundlagen der muslimischen Rechtslehre aufgeschrieben – ein Buch, in das jemand wie ich jeden Tag hineinsehen sollte, um den Maßstab für all die Entscheidungen zu behalten, die tagtäglich zu treffen sind. Besonders, was die Entscheidungen über Recht und Unrecht angeht …«
    »Ich glaube nicht, dass es viele Herrscher gibt, die sich darüber so viele Gedanken machen und regelmäßig in ein Buch sehen«, erwiderte Li.
    »Das sollten sie aber. Doch ich habe dich nicht hierherbringen lassen, um mit dir darüber zu sprechen. Es geht um etwas anderes. Dein Wasserzeichen gefällt mir ausnehmend gut. Von dieser Kunst hatte ich nur gerüchteweise gehört und nicht geglaubt, jemals jemanden zu treffen, der sie in dieser Vollkommenheit beherrscht, wie es bei dir der Fall ist. Anscheinend ist dein Talent beim Schöpfen von Papier verschwendet …«
    »Ich verstehe nicht, worauf Ihr hinauswollt, Herr«, sagte Li und gab dem Statthalter das Buch des Rechtsgelehrten Abu Mansur al-Maturidi zurück. Den Namen des Verfassers auf dem Einband – eingestickt mit Goldfaden – konnte Li immerhin entziffern.
    »Ich möchte, dass du mir ein Wasserzeichen erschaffst, das für mich persönlich steht und mein Zeichen sein soll. Wer einen Brief bekommt, der auf diesem Papier geschrieben wurde, soll erkennen, dass er wirklich einen Bogen aus meiner Hand erhalten hat …«
    »Ein Zeichen für den Statthalter von Samarkand also«, schloss Li. Aber anscheinend hatte sie Prinz Ismail nicht ganz richtig verstanden.
    »Vergiss den Statthalter. Dieses Zeichen soll das Papier für Briefe zieren – und diese schickt nicht der Statthalter, sondern der Mann Ismail. Es soll geheim bleiben und niemandem bekannt sein außer einem kleinen Kreis von Eingeweihten.«
    Li neigte das Haupt noch etwas tiefer. »Ich glaube, ich habe verstanden, welche Art von Briefen Ihr meint.«
    »So wirst du sicherlich auch ein passendes Zeichen dafür ersinnen. Du sollst ausreichend biegsames Metall dafür bekommen und auch alles andere, was du brauchst. Ein Diener wird es dir bringen oder dich begleiten, wenn du dir das Nötige auf dem Basar oder bei den Schmieden kaufst. Aber du musst mir eines schwören!«
    »Ihr wollt meine Verschwiegenheit, nehme ich an.«
    »Es darf niemand wissen, für wen das Zeichen geschaffen wird, an dem du arbeitest.«
    »Ich werde niemandem etwas darüber sagen. Aber gewiss wird man mich fragen, denn die Werkstatt, in der ich arbeiten muss, ist sehr beengt.«
    »Du bekommst hier im Palast einen Raum zugewiesen, in dem du daran arbeitest und in dem dich niemand beobachten wird.«
    »Es soll geschehen, wie Ihr sagt«, erklärte Li.
    Ein paar Tage später ging Li in Begleitung eines Palastwächters zu einem Schmied, der seine Werkstatt in der Nähe des südlichen Stadttors hatte. Dort kamen die meisten Reisenden und Karawanen vorbei – und wann immer es bei deren Tieren ein

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