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Die Papiermacherin

Titel: Die Papiermacherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Conny Walden
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vielleicht einmal begegnet. Er sah dich gerade so an, als wäre das der Fall.«
    »Daran würde ich mich erinnern.«
    Der Schmied zuckte mit den Schultern. »Das geht mich auch nichts an – und nur Allah bestimmt, wann die Wege der Menschen sich trennen oder wieder zusammenfinden.«
    »Hast du den Draht fertig, den ich bei dir in Auftrag gegeben habe?«, unterbrach ihn Li, die keinerlei Neigung hatte, sich mit dem Schmied weiter über Dinge zu unterhalten, die sie mit ihm nicht teilen wollte. Dinge, die in ihrem Herzen verschlossen waren und dort auch noch eine ganze Weile bleiben sollten.
    »Es ist alles fertig«, erklärte der Schmied. »Ich habe gehört, dass du mit dem dünnen Eisen die Erscheinung eines Dschinns in einen Bogen Papier hineinzuzaubern vermagst!«
    »Wer erzählt dir so einen Unfug?«, fragte Li. »Glaubst du an Dschinne?«
    »Jeder, der schon mal einen längeren Weg durch die Wüste in flimmernder Luft hinter sich gebracht hat, weiß, dass sie existieren«, meinte Kebir.
    »Dann bin ich entweder nicht durch die richtigen Wüsten gewandert oder ich habe nicht auf sie geachtet, weil ich aufpassen musste, dass die Trampeltiere mir nicht auf die Zehen treten!«
    »Du verspottest mich, Papiermacherin!«
    »Den einzigen Schmied weit und breit, der einen so dünnen Draht zu ziehen vermag? Haltet mich für eine Ungläubige oder Blinde, was Dschinne angeht, aber nicht für eine Närrin!«
    »So kannst du mir das Geheimnis doch verraten!«, meinte Kebir.
    »Ich brauche einen Draht, um Bilder zu schaffen, die im Papier selbst aufscheinen. Das ist keine Magie, sondern eine Handwerkskunst – deren Einzelheiten aber nicht für fremde Ohren bestimmt sind.«
    Der Schmied zuckte wieder mit den Schultern. »Manchmal ist beides – Magie und Handwerkskunst – kaum zu unterscheiden.«
    »Ich habe dir deine Frage beantwortet, aber ich will dich auch etwas fragen.«
    Der Schmied hob überrascht die Augenbrauen. »Nur zu!«, sagte er dann.
    »Die Fremden, die soeben deine Dienste in Anspruch genommen haben – hast du gehört, wo sie sich einquartieren und wie lange sie in Samarkand bleiben?«
    »Die Wege Allahs sind unergründlich. Und woher soll ich wissen, wohin sie sich wenden?«
    »Ich nehme an, du hast ihnen einen Wirt empfohlen. Also wenn ich ein Schmied wäre, der seine Werkstatt gleich beim Stadttor betreibt, würde ich den Wirt empfehlen, der mich dafür mit guter Münze bezahlt – und ich kann mir nicht vorstellen, dass du das nicht tust!«
    »Vor dir muss man sich anscheinend in Acht nehmen, so scharf wie deine Gedanken sind. Ich habe ihnen tatsächlich einen Wirt genannt. Es ist Nedjan, mein Vetter. Sein Haus steht am Ende der Straße, in der die Teppichweber wohnen. Warum willst du das wissen?«
    »Ich wollte nur wissen, ob meine Annahmen den Tatsachen entsprechen …«
    Li wandte den Kopf. Der Wächter, der sie begleitet hatte, war schon eine ganze Weile ziemlich abgelenkt. Er unterhielt sich mit dem im Vergleich zu Kebir fast schmächtig wirkenden Gehilfen des Schmieds und begutachtete ein paar frisch geschmiedete Schwerter. Andernfalls hätte Li es kaum gewagt, Kebir so eingehend zu befragen.
     

Neuntes Kapitel

Eine Warnung
     
     
     
    »Ich kann das Gesicht dieses Fremden nicht vergessen«, sagte Li. Es war schon spät. Der Muezzin hatte längst zum letzten Mal an diesem Tag zum Gebet gerufen und die Arbeit in der Werkstatt war getan. Li sprach in der Zunge des Han-Volks und außerdem sehr leise – und Meister Wang hörte ihr aufmerksam zu. Gao war nicht in der Nähe. So vertraut ihr der Geselle seit Langem war, ihre geheimsten Gedanken wollte Li keineswegs mit ihm teilen, auch wenn das Schicksal ihre Wege im Moment sehr eng verwoben hatte und sie sehr froh darüber war, neben ihrem Vater noch einen anderen Menschen in der Nähe zu wissen, dem sie vertrauen konnte.
    Li hatte ihrem Vater von der in mehrfacher Hinsicht verwirrenden Begegnung mit dem fremden Ritter erzählt – wie sie ihm früher als kleines Mädchen alles Mögliche von dem berichtete, was ihr widerfuhr. Sie kam sich jetzt allerdings ein wenig lächerlich dabei vor, und doch verspürte sie den schier unstillbaren Drang, mit jemandem zu reden. Vielleicht auch, um selbst mehr Klarheit darüber zu bekommen, was diese eigentlich nur flüchtige Begegnung in ihr ausgelöst hatte. Dass sie sehr aufgewühlt war, stand außer Frage. Nur der Grund dafür war ihr nicht vollkommen klar – oder sie wollte ihn gar nicht in jener

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