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Die Parallelklasse - Ahmed ich und die anderen - Die Luege von der Chancengleichheit

Die Parallelklasse - Ahmed ich und die anderen - Die Luege von der Chancengleichheit

Titel: Die Parallelklasse - Ahmed ich und die anderen - Die Luege von der Chancengleichheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Bauer
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schlimme Schimpfwörter und beschreibt, wen er wie verkloppen wird. Wenn ich dann mit meinen hausbackenen humanen Vorstellungen ankomme und sage, man müsse immer zuerst miteinander reden, merke ich schnell, wie wenig das mit seiner Realität zu tun hat. In seiner Jungswelt geht es ›Auge um Auge, Zahn um Zahn‹. Und wer einem bösen Blick nicht standhält oder wer nicht zurück haut, der wird immer wieder gehauen, dem wird täglich ein Bein gestellt, den lachen alle aus. Dazu kommt, dass die Jungs im Spiel fließend von einer Sprache in die andere wechseln, und Arabisch oder Türkisch wohl vor allem dann verwenden, wenn sie über andere lästern. Das verunsichert Benedikt. Benedikt ist in dieser Klasse der andere, derjenige, der fremd ist. Diese Situation überfordert ihn. Nach der letzten Klassenreise wollte er sofort Tina anrufen, die er ja schon vor der Schule gekannt hat, und ihr erklären, warum er auf der Reise nicht mit ihr spielen konnte. Ich fragte ihn, warum er das nicht konnte, und er sagte: ›Weil die Jungs mich dann blöd finden und mich beschimpfen!‹ Er muss sich permanent anpassen. Er kann nicht er selbst sein. Und er will nicht mehr am Religionsunterricht teilnehmen, obwohl er das Fach und die Lehrerin sehr mag. Er will nicht mehr hin, weil er dort der einzige Junge ist. Ist es vermessen, wenn ich mir für meinen Sohn eine andere Situation wünsche? Freunde, bei denen er nicht unter einem solchen Anpassungsdruck steht? Besteht vielleicht die Möglichkeit, zwei oder drei freundliche, nicht-auffällige, nicht-muslimische Jungs in die Klasse zu bekommen? In der Klasse 2a soll es doch ganz viele nette, deutsche Jungs geben. Die Situation kommt mir einfach zunehmend ausweglos vor. Ich möchte, dass Sie das wissen.«
    Nur wenige Wochen nach dieser Mail nahm die Mutter ihren Sohn von der Schule. Sie blieben im Kiez wohnen, aber die Mutter fuhr das Kind nun jeden Morgen nach Berlin-Mitte. »Das ist ein extremer Fall«, sagt Frau Schach, »aber kein Einzelfall. Es ist schwer für uns, gesunde Klassen zusammenzustellen. In der Parallelklasse gibt es nur ein deutsches Mädchen. Sie hat kürzlich ihre Eltern gefragt, ob sie nicht ein Kopftuch tragen könne.«
    Wir bestellen Tramezzini mit Rosmarinschinken. Um uns herum sitzen Menschen deutscher Herkunftssprache im zeugungsfähigen Alter. Alle fünf Minuten laufen Frauen mit kleinen Kindern im Tragetuch oder im Buggy vorbei. Ein Hauch von Prenzlauer Berg weht durch den Kiez. Wenn aber die Umgebung der Blücher-Grundschule so viel lebenswerter geworden ist, warum hat davon die Schule selbst nicht profitiert? »Weil man hier gut wohnen kann, aber nur schlecht zur Schule gehen«, sagt Frau Schach, »jedenfalls denken das die Eltern, die wir so gerne bei uns hätten.« Laut einer Forsa-Umfrage würden über sechzig Prozent der Berliner ihr Kind nicht in Kreuzberg zur Schule schicken. 76 Prozent davon begründen das mit dem hohen Ausländeranteil.
    Einige Tage später sitze ich im Büro der neuen Rektorin der Blücher-Grundschule und erfahre mehr über den Kampf um deutsche Eltern und Kinder. Ich bin noch mal mit Frau Schach verabredet, die mir einige alte Unterlagen und Fotos geben will. Zunächst aber warte ich auf Frau Schmidtke, die auf der Suche nach den aktuellsten Statistiken über ihre Schülerschaft ist. Ich saß vorher nur einmal in diesem dunklen Rektorenzimmer. Herr Seibel, Frau Schmidtkes Vorgänger, hatte mich zu sich gerufen, weil er mir eine Brille verpassen wollten. »Ich habe dich beobachtet, Patrick, du kneifst oft deine Augen zusammen. Viele Kinder brauchen eigentlich eine Brille, aber niemand merkt das. Ich kenne einen sehr guten Augenarzt, der ganz moderne Untersuchungen vornehmen kann, der wird dir helfen. Ich bitte dich, mit deiner Mutti oder deinem Vati in seine Praxis zu gehen.« Mit meiner Mutter fuhr ich anschließend tatsächlich in einen weit entfernten Bezirk, glotzte in diverse Gerätschaften, aber der Doktor musste sichtlich enttäuscht zugeben, dass auch seine neuartige Methoden keine Sehschwäche beweisen konnten. Bei vielen Mitschülern, die Herr Seibel auch zu diesem Arzt geschickt hatte, war das anders. Fast die Hälfte der Kinder aus meiner Klasse trug danach eine Brille. Wir waren schon längst nicht mehr auf der Grundschule, als herauskam, dass diese Koryphäe der Berliner Augenheilkunde, zu der Herr Seibel uns alle geschickt hatte, sein Schwager war. Herr Seibel war danach ohnehin nicht mehr lange Schulleiter der

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