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Die Parallelklasse - Ahmed ich und die anderen - Die Luege von der Chancengleichheit

Die Parallelklasse - Ahmed ich und die anderen - Die Luege von der Chancengleichheit

Titel: Die Parallelklasse - Ahmed ich und die anderen - Die Luege von der Chancengleichheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Bauer
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ihr Vater doch bestimmt schon immer Affären hatten. Ist nicht das Neue, dass eine Ehefrau daraus Konsequenzen ziehen will? »Ach, keine Ahnung«, sagt Sibel, »ich weiß nur, dass immer mehr türkische Familien zerbrechen. In Deutschland. In der Türkei nicht. Ich kenne sogar eine türkische Mutter, die ihren Mann verlassen hat, weil sie gemerkt hat, dass sie lesbisch ist. Sie ist jetzt mit einer Frau zusammen. Stell dir das mal vor!«
    Ich sage: »Ist das nicht toll? Dass sie den Mut hat, dazu zu stehen? Du hast doch auch immer für deine Freiheit kämpfen müssen.«
    »Stimmt«, sagt Sibel, »aber guck mal, ich habe jetzt auch eine Familie, ich bin nicht mehr die Wilde. Ich bin eben leider die Tochter meines Vaters. Tief in meinem Herzen bin ich traditionell, die Familie kommt zuerst, dann erst die Freiheit des Einzelnen. Früher wollte ich alles anders machen. Heute will ich, dass alles bleibt, wie es ist. Das ist komisch, oder?«
    Ich stehe einige Wochen später wieder vor dem Aufzug zu Aylin. Herr Yildiz fegt gerade den Eingangsbereich.
    »Na, mein Junge, spielen wir heute wieder Aufzugslotterie?«
    »Was tippen Sie?«
    »Heute fährt er! Es ist ein guter Tag!«
    Tatsächlich: Der Aufzug rumpelt mühsam in den achten Stock. Hinter Aylins Tür herrscht diesmal Stille. Der Mann mit der Baseballmütze macht wieder auf. »Wollen Sie schon wieder zu Aylin? Sind Sie vom Amt oder was?« Er wartet meine Antwort nicht ab, sondern ruft nach Aylin und lehnt die Tür an. Aylin kommt ohne Umwege, sie ist ungeschminkt, ihre Haare sind strähnig, sie ist in einen Bademantel gehüllt.
    »Patrick, wieso rufst du nicht an?«
    »Ich habe ein paarmal angerufen.«
    »Alter, du musst verstehen: Mein Ex, der Spast, der Vater meines Sohnes, der jagt mich. Aber ruf einfach in ein paar Tagen noch mal an, okay?«
    Wieder schließt Aylin langsam die Tür, während sie das sagt.
    »Aylin, können wir nicht jetzt reden?«
    »Patrick, was willst du? Machst du ein Klassentreffen? Okay, ich komme, ruf mich dann einfach an, ja?«
    »Wenn ich alle von damals gefunden habe, organisiere ich gerne ein Klassentreffen. Aber jetzt wollte ich dich fragen, wie es dir geht.«
    Aylin atmet lange aus.
    »Wie es mir geht? Lass mich mal überlegen. Mein Exfreund belästigt mich seit Wochen. Mit dem Typ in meiner Wohnung streite ich mich jeden Tag, obwohl er sein Maul kaum aufkriegt. Meine beste Freundin wird auch von ihrem Exfreund belästigt und pennt bei mir, obwohl es für mich und den Kleinen schon zu eng ist. Mein Sohn hat Durchfall. Der Fahrstuhl funktioniert nicht. Ich habe noch Schmerzen von der Operation und rauche schon wieder, obwohl der Arzt mir das verboten hat. Wie es mir geht? Großartig!«
    Es ist wohl eine blöde Frage an dieser Stelle, aber eine andere fällt mir nicht ein: »Wie geht es deinem Vater?«
    »Wie kommst du auf meinen Vater?«
    »Er wollte mir mal die Ohren abschneiden. Weißt du noch?«
    So etwas ähnliches wie ein Lächeln huscht über Aylins Gesicht.
    »Ja, geil! Beim Ausflug war das! Ich hatte mich über euch Jungs beschwert, weil ich alle Jungs immer so frech und laut fand. Ich hatte vorher nie mit Jungs zu tun, war immer nur mit meinen Schwestern zuhause gewesen. Und dann kam mein Vater zufällig vorbei und hat mich gefragt, welcher Junge am schlimmsten ist, und ich habe auf dich gezeigt, weil du der Einzige warst, vor dem ich keine Angst hatte. Ich musste mich nicht vor deiner Rache fürchten. Tut mir leid. Du warst so klein und süß. Hattest du Angst vor meinem Vater?«
    »Ich glaube schon!«
    »Dann hatten wir was gemeinsam. Ich habe bis heute Angst vor meinem Vater und heute würde er bestimmt mir gerne die Ohren abschneiden. Ich war nicht sehr lange sein braves Mädchen.«
    »Was hast du gemacht?«
    »Nichts. Nur das Gegenteil von dem, was er wollte. Er dachte, ich gehe neun oder zehn Jahre zur Schule, halte meine Arme und Beine immer bedeckt und heirate irgendeinen Türken aus der Sippe, den er für mich aussucht und einfliegen lässt. Dann bekomme ich viele Kinder und am besten nur Söhne, damit er wenigstens Enkelsöhne hat, wenn er schon selbst keinen Sohn hingekriegt hat. Einen Sohn habe ich jetzt. Aber keinen Mann. Ich trage immer noch gerne enge Tops und ich gehe gerne mal einen trinken.«
    »Hast du Arbeit?«
    »Ich habe nichts gelernt. Vielleicht wäre das schlauer gewesen. Ich hätte ja auch so gegen meinen Vater rebellieren können: Abitur machen oder so, einen Deutschen heiraten, Töchter bekommen, ein

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