Die Partie. Thriller (German Edition)
Tod bezwungen. Er fühlt sich übermenschlich.
Frank steigt aus der Badewanne. Er will nicht länger über die Vergangenheit nachdenken. Die Vergangenheit ist böse.
Er trocknet sich mit einem zu kleinem Handtuch ab, während er nackt ins Wohnzimmer läuft und eine Wasserspur hinter sich herzieht.
Warum ist der Meister nur so sehr darauf versessen, dem Gegner in seinem Spiel Hinweise zuzuspielen? Der Meister mag ein intelligenter Mann sein, aber seinen Feinden zu viele Informationen zukommen zu lassen ist gefährlich. Man muss seinen Gegenspielern immer einen Schritt voraus sein, sonst kann man selbst in einen Hinterhalt geraten. Das muss auf jeden Fall verhindert werden.
Der Glaube, den der Meister an die Kraft im Inneren des Menschen hat – wenn er nur daran denkt, wird ihm schlecht. Aber er will nicht undankbar sein, der Mann hat sich um ihn gekümmert, hat ihn aus der Gosse gezogen – und er bezahlt ihn gut. Aber in diesem einen Punkt handelt er einfach zu unvorsichtig.
Deswegen wird Frank den Kommissar auf eigene Faust ausschalten. Der Meister muss die genauen Umstände der Liquidation ja nicht erfahren. Entweder wird er es ihm verschweigen oder er wird es als Kollateralschaden deklarieren.
Deshalb wird er noch einmal zum Meister gehen heute Nacht. Und sich vorsichtig erkundigen, welche Hinweise dem Kommissar zugespielt worden sind.
Frank setzt sich auf den Sessel in der Mitte des Raumes und legt das Handtuch zur Seite. Er atmet laut hörbar aus.
17
Carlos Wohnung gleicht einer intellektuellen Müllhalde. Bücher stapeln sich auf dem Boden, auf den Sesseln, auf der Heizung; einfach überall. Zerlesene Zeitungsseiten klemmen zwischen den Kissen der schwarzen Ledercouch im Wohnzimmer und liegen unter dem Esstisch in der Küche.
Kimski lässt sich auf das Sofa fallen, das quietschend unter ihm nachgibt. Noch bevor er sich in Ruhe umsehen kann, hat Carlo eine Flasche Martini und drei Gläser angeschleppt.
»So, dann trinken wir jetzt einen!«, verkündet er und plumpst zwischen zwei Stapeln Zeitschriften auf einen Sessel. Die Magazine drücken sich zu allen Seiten unter seinem Hintern hervor, was ihn nicht weiter zu stören scheint. Auch Eva setzt sich, auf die Couch, neben Kimski.
»Wir müssen den Code entschlüsseln«, sagt Kimski und hält seine Hand über das Glas, das vor ihn auf den Glastisch gestellt worden ist.
Carlo lächelt ihn mit weit aufgerissenem Mund an. Seine Zähne und seine Lippen sind violettblau verfärbt vom Wein.
»Erst müssen wir uns entspannen.«
Carlo gießt Kimski den Martini ein. Das durchsichtige Getränk läuft in klebrigen Bächen zwischen Kimskis Fingern hindurch in das Glas und auf den Tisch.
»Danke«, sagt Kimski genervt. Dann holt er mit der noch trockenen Hand sein Taschentuch hervor und trocknet sich die Finger ab, während Carlo Eva und sich selbst einschenkt.
»Cheers«, sagt Carlo und hebt das Glas.
»Cheers«, erwidert Eva und tut es ihm gleich.
»Wir sollten uns wirklich an die Arbeit machen.«
»Sag mal, Kimski«, fällt Carlo ihm ins Wort. »Hast du eigentlich auch einen Vornamen, oder heißt du einfach nur Kimski. So wie Madonna.«
Kimski räuspert sich.
Eva blickt ihn erwartungsvoll an.
»Ach. So gut gefällt er mir nicht. Außerdem nennen mich alle Leute sowieso nur Kimski.«
»Was!« Carlo ist vom Stuhl aufgesprungen. »Du magst deinen
Vornamen nicht, das gibt es nicht!«, er muss Luft holen.
»Jetzt sag schon.«
»Leonard«, sagt Kimski leise. Der Name, mit dem ihn sein Vater auf die Welt losgelassen hat.
»Was! Leonard?« Carlo läuft im Kreis und schnauft. »Das ist doch ein großartiger Name!«
»Leonard Kimski«, sagt Eva begeistert.
»Das klingt gut!«, bestätigt Carlo. »Weißt du überhaupt, was Leonard bedeutet, Leonard?«
Kimski schüttelt den Kopf.
»Das ist bestimmt althochdeutsch«, sagt Eva. »Man hört ja gerade noch die historische Endung -hart heraus.«
»Richtig«, schreit Carlo. »Leonard ist die moderne Form von Leonhard. Leonhard! Leon wie althochdeutsch lewo, also Löwe, und hard von harti, also hart, mutig oder auch kühn. Mutig wie ein Löwe. Das passt zu dir, Leonard!«
Carlo setzt sich wieder hin und gießt sich ein weiteres Glas Martini ein.
»Darauf trinken wir einen. Prost!«
Sie trinken noch eine Runde.
»Was macht Ihre Arbeit als Lehrer?« Kimski will nicht unhöflich sein. Will die Kontaktaufnahme des Gastgebers erwidern. Eine bessere Frage ist ihm nicht eingefallen.
»Wah!«, sagt
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