Die Partie. Thriller (German Edition)
Originalschriften des Illuminatenordens, welche bey dem gewesenen Regierungsrath Zwack durch vorgenommene Hausvisitation zu Landshut den 11. und 12. Oktober et cetera 1786 vorgefunden wurden, auf höchsten Befehl Seiner Churfürstlichen Durchlaucht zum Druck befördert . Unglaublich! Den Titel muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. So einen absurden Namen für ein Buch würde heutzutage doch kein Verlag mehr veröffentlichen.«
»Ein bisschen lang.«
»Illuminatenorden? Kurfürstliche Durchlaucht? Worum geht es denn in dem Buch?«, fragt Eva.
»Das ist so ein Propagandaschinken. Kurfürst Carl Theodor hatte doch 1784 den Illuminatenorden zerschlagen lassen. Das gab natürlich auch eine Menge Kritik. Ein paar Leute, auch in den eigenen Reihen der kurfürstlichen Regierung, wollten Beweise sehen für die Vorwürfe, die man den Illuminaten machte. Die Vorgehensweise gegen den Orden war ja nicht gerade zimperlich.«
Evas Mund steht offen. »Hast du gerade gesagt: Carl Theodor?
Der war doch Kurfürst in Mannheim.«
»Ja, genau. Carl Theodor und die Illuminaten. Das könnte auch aus einem Dan-Brown-Buch stammen. Allerdings residierte er schon in München, als diese Geschichte passiert ist.«
»Gab es diese Illuminaten auch in Mannheim?«, fragt Kimski.
»Vermutlich. An einer Stelle heißt es, dass in Mannheim 95 Frauenzimmer einen Weiberorden gründen wollten. Hier, sehen Sie. So etwas wurde damals als besonders verwerflich angesehen.«
Kimski sieht zu Eva. Sie erwidert seinen Blick.
»Erinnern Sie sich an den Stadtplan in der Wohnung?«, fragt er.
»Ja.«
»Welche Epoche von Mannheim hat der eigentlich dargestellt?«
Evas Mund steht sperrangelweit offen.
»Na jedenfalls«, fährt Carlo fort, ohne die beiden zu beachten, »um zu diesem Buch zurückzukommen: 1786 wurde der geheime Regierungsrat Zwack vom Blitz getroffen. Deswegen steht ja in dem Buchtitel auch der Zusatz gewesener Regierungsrath. Zwack soll angeblich Illuminat gewesen sein, bevor er gebraten wurde, zumindest besteht dieses Buch aus Schriftstücken, die man nach seinem Tod in seinem Haus gefunden haben will und in denen die Pläne der Illuminaten dargestellt sein sollen. Natürlich sind das alles Fälschungen der Regierung.«
»Fälschungen?«
»Genau, um das harte Vorgehen zu rechtfertigen, übrigens nicht nur gegen die Illuminaten, sondern gegen alle Geheimbünde und Verbindungen, die ohne Erlaubnis des Landesherrn gegründet worden waren.«
Kimski nimmt das Blatt in die Hand und betrachtet es. Er kann die Schrift nur mühsam entziffern, da sie in Fraktur geschrieben ist. Das Papier ist wellig und fleckig; wenn man mit den Fingern darüberfährt, kann man jede einzelne Faser spüren.
»Großartig, das alte Papier, nicht?«, sagt Carlo zu Kimski. »Ich könnte stundenlang daran schnüffeln, der Geruch ist unbeschreiblich.«
»Stimmt.«
»Die Blätter sind aus der Originalausgabe, habe ich eigenhändig geklaut.«
»Geklaut?«
»Oh, Entschuldigung, Herr Kommissar. Ich war schwach, es tut mir leid.«
»Schon gut. Wo haben Sie es gestohlen? Ist das überhaupt was wert? Ein paar einzelne Seiten aus einem Buch zu klauen, kann ja nicht so schlimm sein.«
»Aber i wo! Doch, doch! Das ist der Originaldruck von 1786, man könnte versuchen, eine Ausgabe in einem Antiquariat aufzutreiben, aber das kann teuer werden. Das ganze Buch interessiert mich sowieso nicht, also habe ich in der Universitätsbibliothek in Heidelberg einfach ein paar wichtige Seiten herausgeschnitten. Das war gar nicht so einfach. Die historischen Drucke kann man nur in einem abgeschlossenen Raum einsehen. Mit Videoüberwachung und einem Bibliothekar, der am Ausgang sitzt und dich beobachtet. Also habe ich mir einen Trick bei einem professionellen Kartendieb abgeschaut. Der Typ wurde zwar geschnappt, also war seine Methode auch nicht hundertprozentig sicher – aber gut, ein bisschen Nervenkitzel muss ja dabei sein. Man braucht auf jeden Fall einen großen Mantel, in dem man die Seiten verstecken kann, denn Taschen darf man keine in die Bibliothek bringen. Dann nimmt man eine halbe Rasierklinge zwischen Mittelfinger und Zeigefinger und fährt damit in der Mitte des Buches entlang, so als würde man etwas suchen. Der gefährlichste Moment ist dann der des Einsteckens.«
»Du bist ja ein richtiger Draufgänger, Carlo«, sagt Eva. Sie hält ihm ein Blatt unter die Nase.
»Vielleicht sollten wir uns diesen Code mal ansehen.«
»Bestimmt wieder eine Niete«, meint
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