Die Partie. Thriller (German Edition)
greift Eva nach der Klinke der Eingangstür und zieht sie auf. »Der Typ, den wir suchen, ist ein Verrückter.«
Bevor Kimski fragen kann, was sie damit meint, ist sie schon in dem mit Kerzen beleuchteten, schlauchförmigen, düster-romantischen Etablissement verschwunden.
Tatsächlich sieht Eva in der hintersten Ecke der Bar einen Mann alleine an einem Tisch sitzen und winkt ihm zu. Kimski schiebt sich den engen Gang entlang, zwischen Tischen und Weinregalen, die in die Wand eingelassen sind. Der Mann hat graues Haar, das am Vorderkopf recht schütter ist. Der Haarkranz um den Glatzenansatz dagegen kringelt sich in wilden Locken. Im Gesicht trägt er eine riesige Brille mit runden Gläsern. Sein Lachen zieht sich über das ganze Gesicht, als er Eva erkennt. Mit einem Rotwein in der Hand prostet er den beiden zu, als sie sich zu ihm an den Tisch setzen.
»Ah, Eva! Die Frau, die im Paradies auf die Schlange gehört hat! Mein Liebchen.«
Eva beugt sich zu ihm vor und gibt ihm einen Begrüßungskuss auf jede Wange.
Der Mann dreht sich zu Kimski und sagt – noch bevor der sich vorstellt –: »Wussten Sie eigentlich, dass in der Bibel beim Sündenfall nirgendwo das Wort Apfel auftaucht?«
Kimski sieht den komischen Kauz eindringlich an. Er scheint angetrunken zu sein.
»Ist das dein neuer Freund?«, fragt der Mann Eva.
»Nein.«
»Ach so, verstehe schon«, er blickt wieder zu Kimski und grinst ihn an. »Ich wollte ja auch nicht sagen, dass sie ständig irgendwelche neuen Kerle anschleppt. Nicht, dass man mich falsch versteht.«
»Schon gut, Carlo«, sagt Eva, immer noch bester Laune.
Carlo, denkt Kimski. Nun weiß er immerhin den Vornamen.
Carlo klatscht laut in die Hände und ruft den Kellner herbei. »Bringen Sie bitte noch zwei Gläser und eine Flasche von diesem Cabernet aus dem Napa Valley. Sie wissen schon, der süffige Tropfen.«
»Das ist kein süffiger Wein«, entgegnet der Ober unwirsch. »Bestenfalls könnte man den Geschmack als üppig bezeichnen.«
»Ja, ja, üppig, süffig. Hauptsache, er regt die Verdauung an.«
Carlo lacht über sich selbst und schickt den Kellner mit einer vagen Handbewegung von dannen. Dieser hat offensichtlich genau verstanden, welchen der Dutzend verschiedenen Weine er bringen soll, denn er kommt wenige Augenblicke mit der Flasche und zwei leeren Gläsern zurück.
Carlo schüttet den Inhalt des Glases, das vor ihm stand, mit einem geübten Schwung in seinen Rachen und schenkt eine Runde aus. Sie stoßen an und Carlo nimmt den nächsten Schluck. Diesmal, deutlich genießerischer, schwenkt er zuerst das Glas, schnüffelt daran, laut hörbar die Nüstern aufblähend, und zieht dann einen kleinen Schluck durch seine schmalen Lippen in den Mund. Er schlürft, während er den Wein durch den Mund rollt. Dann kaut er auf der Flüssigkeit herum und gurgelt schließlich, wobei er den Kopf in den Nacken nimmt.
»Herrlich!«, sagt er, als das Weinglas wieder vor sich auf dem Tisch absetzt und die rote Flüssigkeit schweigend ansieht.
»Ähm, und wo habt ihr beiden euch kennengelernt?«, fragt Kimski nach einer Weile, um die Stille zu durchbrechen, die ihm langsam unangenehm wird.
»Auf der Uni«, sagt Carlo.
»Dann«, Kimski überlegt, »sind Sie also Professor?«
»Nein, nie gewesen, will es auch nie sein.«
»Aha«, sagt Kimski und sieht zu Eva. Er zuckt zaghaft mit den Schultern. Was wollen sie hier bei diesem Typen?
»Carlo ist Lehrer«, erklärt Eva, »aber er ist solch ein Wissensjunkie, dass er manchmal, wenn er Zeit hat, als Gasthörer Vorlesungen an der Uni besucht.«
»Genau. Ich träume davon, die größte und umfangreichste Chronik der Kurpfalz zu schreiben, die ein Auge je erblicken durfte oder eine Hand berühren konnte. Deswegen besuche ich ab und an die Vorlesung der Historiker. Alles Verrückte, diese Geschichtstypen. Aber gut. Wie sieht es mit Ihnen aus? Haben Sie noch irgendwelche Träume im Leben, Herr – ähm, wie heißen Sie überhaupt?«
»Kimski.«
»Ah. Herr Kimski! Irgendwelche Lebensträume, Kimski?«
Wieder sieht Kimski Hilfe suchend zu Eva. Sie lächelt ihn an.
»Machen Sie sich nichts aus Carlos Verhörmethoden. Der ist immer so. Sie dürfen Ihre Geheimnisse für sich behalten.«
Kimski nimmt einen großen Schluck. Der herbe Tropfen klebt an seinem Gaumen wie Gummi.
»Hast du von dem Bombenanschlag im Stadthaus gehört, Carlo?«, fragt Eva.
»Bombe? Nein, davon weiß ich nichts. Was nicht heißt, dass nicht jeder andere in dieser
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