Die Partie. Thriller (German Edition)
Stadt davon wissen könnte. Aber ich interessiere mich mehr für die Vergangenheit als für die Gegenwart.«
»Deshalb sind wir hier«, Eva holt den Zettel mit der Ziffernfolge aus ihrer Handtasche und reicht ihn Carlo. Dieser rollt ihn aus, rückt seine Brille zurecht und mustert ihn interessiert.
»Dieser Zettel wurde uns zugespielt«, erklärt Eva.
Kimski sieht auf. Zugespielt. Das klingt gut. Carlo muss sicherlich annehmen, dass ihr jemand den Zettel in ihrer Funktion als Journalistin hat zukommen lassen.
»Ich glaube, dass es sich um eine Chiffrierung handelt, irgendwas Historisches, denke ich, aber den genauen Code konnte ich so ohne Weiteres nicht erkennen.«
Carlos Stirn legt sich in Falten. Er nickt.
»Kann schon sein. Warum nicht. Diese Zahlencodes kamen im Mittelalter auf. Heutzutage gibt es noch viel ausgefeiltere Methoden, um Botschaften zu verschlüsseln.«
»Kannst du uns weiterhelfen?«
»Kann gut sein. Wie du weißt, sammle ich eine ganze Menge sonderbares Zeug. Ich habe auch einen Stapel Entschlüsselungscodes zu Hause.«
Carlo kratzt sich am Kopf.
»Aber was ich nicht verstehe: Das, was auch immer darin steht, sagt dir irgendein Informant – wer auch immer – nicht direkt, sondern verschlüsselt es mit einem Zahlencode, den du nicht kennst?«
Eva sieht zu Kimski herüber, wie um sich seiner Zustimmung zu versichern. »Genau«, sagt sie schließlich.
»Wenn das so ist«, Carlo beugt sich ein Stück vor und spricht leiser, »dann frage ich lieber gar nicht, worum es in dieser Sache geht. Ist wohl eine heiße Story«, sagt er und greift zum Weinglas.
»Also, was ist? Gehen wir zu Ihnen und sehen, ob es sich entschlüsseln lässt?«, fragt Kimski geradeheraus, unwillig, noch mehr Zeit zu verlieren. Auch in einer Bar sind sie nicht ewig unsichtbar für die Polizei.
»Aber erst müssen wir noch die Becher leeren«, sagt Carlo und hebt das Glas zum Prosten in die Luft. »Es geht nichts über einen guten Tropfen.«
16
Der hinkende Mann, der Krähe genannt wird und dessen Vorname in Wirklichkeit Frank ist, sitzt in der grauen Wohnung und starrt an die Wand. Immerhin, es ist seine eigene Wohnung. Der Meister ist sehr großzügig zu ihm, hat ihm alles zur Verfügung gestellt, was er braucht, auch dieses Zwei-Zimmer-Apartment, in dem er sein neues Leben begonnen hat.
An der kargen Wand vor ihm hängt nichts. Kein Landschaftsbild. Kein Familienfoto.
Er steht auf und zieht sich aus, während er zum Badezimmer geht. Der Meister hat ihm den restlichen Abend und die ganze Nacht freigegeben. Die nächsten Züge des Spiels gibt es erst morgen Vormittag, und er, der Vollstrecker, soll die Zeit nutzen und Kraft sammeln.
Seine Kleidungsstücke hinterlassen eine bunte Spur hinter ihm. Er öffnet die Badezimmertür und dreht den Hahn der Badewanne auf. Wenige Menschen nehmen im Hochsommer ein heißes Wannenbad, anstatt sich kühl abzuduschen. Er weiß das. Aber es ist die einzige Entspannung, die er sich je gönnt. Also tritt er zu dem kleinen Ghettoblaster auf dem Fensterbrett und drückt die Playtaste des CD-Spielers.
The Clash ertönt und er atmet auf. Während er wartet, wie das Wasser in die Wanne läuft, tritt er vor den Spiegel des Schrankes und betrachtet seinen nackten Körper. Die verwachsenen Granatsplitter in seinem rechten Bein und in seinem Oberkörper, die man nicht rechtzeitig herausoperieren konnte, sind deutlich zu sehen.
Aber sie schmerzen kaum. Die Erinnerungen an den Bosnienkrieg in seinem Körper dehnen sich bei Hitze aus. Doch momentan ist alles in Ordnung. Bis auf sein rechtes Bein, auf das er bei der Verfolgungsjagd heute Abend ungünstig aufgekommen ist.
Solange er noch laufen kann, ist es nicht weiter schlimm, denkt er und steigt in die Wanne. Das Wasser umschließt ihn und spült den Dreck und Schweiß der letzten drei Tage aus seinen Poren. Die Wanne ist größer als die meisten, die man in Mietwohnungen findet, so kann er sich in seiner gesamten Größe ausstrecken.
Er taucht seinen Kopf ganz unter. Ein paar Luftblasen an der Wasseroberfläche sind das Einzige, das nun von seiner Existenz kündet. Seit er vor Jahren dem Tod das erste Mal von der Schippe gesprungen ist, verspürt er eine Sehnsucht nach todesähnlichen Situationen.
Ganz unter Wasser, untergegangen im Meer. Er wartet, bis die Luftblasen weniger werden, bis sich seine Lungen zusammenziehen und sein Kopf blau anläuft vom Sauerstoffmangel.
Dann taucht er in einer tosenden Welle wieder auf. Er hat den
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