Die Partie. Thriller (German Edition)
sich einfach irgendeine haarsträubende Geschichte aus.«
»Das kriege ich hin.«
»Am besten machen Sie ein bisschen auf hysterisch, schreien rum und gehen den Polizisten richtig auf die Nerven. Und wenn ich vorbei bin, dann halten Sie die hin, bis ich wieder zurück bin. Ich denke nicht, dass ich länger als zehn Minuten brauchen werde.«
»Aber was ist, wenn die Beamten Sie doch erkennen, oder wenn sie mich erkennen? Und was zum Geier wollen Sie mit der Pistole in der Hand?«
Kimski legt seine Hand mit der Waffe in Evas Handfläche.
»Die ist für Sie.«
»Was?«
»Haben Sie schon mal eine Pistole benutzt?«
»Nein!«
»Gut. Heute werden Sie auch keine benutzen. Aber wenn irgendetwas schiefläuft, wenn irgendjemand Sie erkennt und festnehmen will, dann ziehen Sie die Knarre und verbreiten Panik. Glauben Sie mir, das wird funktionieren. Die Kollegen werden nicht auf Sie schießen, solange Sie die Waffe in der Hand haben und Drohungen brüllen. Wichtig ist, dass Sie immer den Eindruck erwecken, als wüssten Sie ganz genau, was Sie tun – und betonen, dass niemandem etwas passiert, wenn niemand zur Waffe greift. Haben Sie verstanden?«
Sie nickt.
»Auf gar keinen Fall dürfen die das Gefühl haben, bei Ihnen wären die Sicherungen durchgeknallt und Sie würden gleich abdrücken.«
Eva umschließt die Pistole mit ihrer Hand und steckt sie in ihre Handtasche. Sie tritt auf die unbefahrene Straße und läuft direkt auf das Präsidium zu.
»Zwei Minuten, dann komme ich rein!«, ruft ihr Kimski hinterher. Er blickt auf seine Armbanduhr und wartet. Unter anderen Umständen hätte er sich wahrscheinlich gewundert, dass Eva die Waffe so bereitwillig an sich genommen hat und auf seinen Vorschlag so selbstverständlich eingegangen ist. Er hat sie nicht überreden müssen. Unter normalen Bedingungen würde er sich wundern, aber in dieser Nacht ist nichts normal. Das Adrenalin schießt durch seinen Körper, als er auf die andere Straßenseite zum Präsidium sieht.
22
Munin sitzt still in seinem Käfig.
Der Entführer kauert auf einem Hocker in dem kleinen Raum und starrt seinen Vogel an.
»Apokalypse!«, sagt er. »Apokalypse!«
Munin sieht ihn an. Dann öffnet die Krähe ihren Schnabel.
»Abokalibse! Abokalibse!«, krächzt sie.
»Bravo«, sagt ihr Besitzer und klatscht lautlos in die Hand. »Das klingt schon sehr gut.«
Er liebt seinen Vogel. Er beruhigt ihn. Zu schade, dass Hugin kürzlich verstorben ist. Es ist erstaunlich, wie viele Worte sich eine Krähe merken kann. Es sind intelligente und würdevolle Lebewesen. Ganz anders als der Oberbürgermeister. Er hat ihn knebeln müssen, dabei hätte das gar nicht sein müssen, wenn sein Gegenspieler besser mitgespielt hätte. Der Stadtvater denkt nicht nach. Warum schläft er nicht? Er sollte besser ausgeschlafen sein, wenn er die Partie gewinnen will. Töricht. Dabei ist er nicht einmal ein schlechter Schachspieler. Aber er wird sich besser konzentrieren müssen.
Der Entführer erhebt sich, geht zum Fenster und schiebt den dicken schwarzen Vorhang zur Seite. Der sternklare Nachthimmel prangt wie ein Baldachin über seiner Stadt. Als er ein Poltern im Stockwerk über sich hört, beachtet er es nicht weiter. Mach es dir nicht schwerer, als es ist, du Narr!, denkt er. Du kannst unmöglich entkommen.
Frank hat einen Schrank präpariert, in den sie den Oberbürgermeister über Nacht einsperren. Das Möbelstück ist innen mit Schaumstoff ausgekleidet, was den Schall dämmt. In die Holzdecke hat Frank einige Luftlöcher geschnitten. Der Schrank ist von außen mit zwei Eisenketten gesichert, die um das Verlies gewickelt sind und mit Vorhängeschlössern zusammengehalten werden.
Wieder ein Krachen über ihm. Vermutlich hat der Bürgermeister sich gegen die Schrankwand geschmissen. Hoffentlich wird der Gefangene den Kasten nicht umwerfen und sich dabei verletzen. Er braucht ihn noch für seine Schachpartie.
Sie haben bisher nur wenige Züge spielen können, da das Spiel immer unterbrochen wird, wenn eine Figur geschlagen ist.
Als sich die Tür hinter ihm öffnet, zuckt er zusammen und dreht sich erschrocken um. Er entspannt sich, als er sieht, dass es Frank ist.
»Ich hatte dir doch gesagt, dass du dich ausruhen sollst. Wenn die Sonne erst einmal aufgegangen ist, folgt ein weiterer anstrengender Tag.«
»Ich wollte nur kontrollieren, ob alle Sicherheitsvorkehrungen ordnungsgemäß laufen.«
»Guter Junge.« Der Entführer dreht sich wieder zum Fenster
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