Die Partie. Thriller (German Edition)
ausgesucht habe?«
Kimski nickt.
»Wissen Sie, es ist doch so: Ich veranstalte hier ein Spiel mit fairen Regeln. Ich fordere die Stadt Mannheim und ihre Vertreter heraus. Ich bin mir sicher, dass Sie bereits die groben Züge dieser Partie verstanden haben.«
»Vermutlich.«
»Ja, Sie sind nicht dumm. Deswegen habe ich Sie ausgesucht. Dass Sie gestern direkt zu dem Einsatz geschickt wurden und nicht jemand anders, war natürlich ein glücklicher Zufall. Ich hätte Sie sowieso kontaktiert. Für die Durchführung meines kleinen Turniers brauchte ich seitens der Polizei einen Gegenspieler, zu dem ich Vertrauen habe.«
»Sie haben Vertrauen zu mir? Wir kennen uns nicht!«
»Ich habe von Ihnen gelesen, Kimski. Sie waren beim SEK und wurden aus dem Kommando ausgeschlossen, weil Sie während eines Einsatzes ein Fernsehinterview gegeben haben. Sie sind für die Forderungen des Geiselnehmers eingetreten.«
»Woher wissen Sie das. In den Presseberichten wurde niemals mein Name genannt.«
Der Entführer grinst. »Wenige Tage später erschien im Mannheimer Morgen ein Bericht, dass ein neuer Kommissar seinen Dienst anträte, nachdem er beim SEK ausgeschieden war – das waren Sie. Es wurden zwar keine Gründe für Ihre Versetzung angegeben, aber ich habe eins und eins zusammengezählt.«
»Was fanden Sie daran so interessant?«, fragt Eva, die einen Schritt in den Raum wagt.
»Nun, hier hat jemand die Courage gehabt, gegen die Mittelmäßigkeit der Moderne aufzustehen und seinen Mund aufzumachen.« Der Krähenmann beugt seinen Oberkörper vor und starrt Kimski in die Augen. »Ein wenig habe ich sogar das Gefühl, dass wir beide Brüder im Geiste sind.«
Kimski lehnt sich ebenfalls vor. Der Lauf seiner Pistole berührt den oberen Teil der Maske des Krähenmanns. Dieser spannt den Hahn seines Revolvers, der noch immer auf den Schädel des Stadtoberhaupts gerichtet ist.
»Was haben Sie mit Alois Brun gemacht?«
»Ah, gratuliere, dann haben Sie also meine neue Wohnung gefunden. Alois Brun. Ich habe seinen Platz eingenommen.«
»Sie haben ihn umgebracht?«
»Wenn Sie das so nennen wollen. Aber umgebracht ist ein hässliches Wort. So belastet mit negativen Assoziationen. Haben Sie eigentlich Nietzsche gelesen?«
Der Entführer lässt seinen Kopf einen Moment hängen, sieht zu Boden. Dann blickt er auf und kramt mit der freien Hand einen Kaugummi aus seiner Hosentasche. Er braucht eine Weile, bis er das Papier mit nur einer Hand befreit hat. Schließlich steckt er es in den Mund und fängt an zu kauen.
»Also haben Sie nun Nietzsche gelesen, Herr Kimski?«
»Reden Sie keinen Scheiß!«
»Beruhigen Sie sich, Sie führen sich zum wiederholten Mal sehr unhöflich auf.«
»Was war das überhaupt für eine Sache, deretwegen Kimski versetzt wurde? Ich habe das nicht genau verstanden«, mischt sich Eva in die Unterhaltung ein. Sie holt einen Stift und einen Notizblock aus ihrer Handtasche und setzt sich auf den freien Stuhl.
»Aha«, sagt der Entführer und lacht kurz auf, »die Reporterin erwacht. Mein Assistent hat mir bereits berichtet, dass Kimski bei seiner Untersuchung Gesellschaft bekommen hat. Kimski hat bei einer Geiselnahme einem Fernsehteam ein Interview gegeben – streng verboten als SEK-Mann. Was war eigentlich der Grund, Kimski?«
»Der Geiselnehmer wollte auf die Situation in seinem Heimatland hinweisen, eine politische Geschichte. Wir haben ihm zugesagt, dass er ein Fernsehinterview geben darf, wenn er sich im Gegenzug stellt. Der Mann ging darauf ein. Unser Einsatzleiter nicht. Kaum waren die Geiseln außer Reichweite wurde der Geiselnehmer überwältig und ruhig gestellt.«
»Und da haben sie sich spontan für den Geiselnehmer und seine Motive eingesetzt. Sind ja ein richtiger Held, Kimski.«
»Stimmt«, sagt Eva.
Der Entführer wendet sich nun wieder zu ihr.
»Von welcher Zeitung sind Sie eigentlich?«
Eva will etwas sagen, doch dann zögert sie.
»Lassen Sie sich auf keine Diskussionen ein«, sagt Kimski.
»Vom Mannheimer Morgen kommen Sie anscheinend nicht, da habe ich nämlich angerufen, um mich zu informieren, mit wem ich es zu tun habe«, sagt der Krähenmann.
Kimski sieht erstaunt zu Eva, die seinen Blick nicht erwidert.
»Wissen Sie, was auch interessant war?«, fährt der Krähenmann fort. »In der Redaktion war man bereits genervt, als ich anrief, weil kurz davor die Kriminalpolizei sich im selben Fall nach einer Frau erkundigt hat, die vorgibt Reporterin zu sein, die aber niemand
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