Die Party Queen von Manhattan - Roman
kompletten Ökosystems verantwortlich, und zwar, weil ich mir eine Schlüsselkette
aus Schlangenleder gekauft hatte. Ach ja, und zu der größten Pyjamaparty in der vierten Klasse durfte ich nicht hingehen, weil ihnen zu Ohren gekommen war, dass die Eltern von dem Mädchen, bei dem das Ganze steigen sollte, ihre Zeitungen grundsätzlich nicht ins Altpapier warfen. Meine Eltern meinten, in einem solchen Umfeld zwölf Stunden zu verweilen, könnte einem Kind bleibende Schäden zufügen.«
»Du willst mich auf den Arm nehmen.«
»Keineswegs. Wobei das nicht heißen soll, dass die zwei nicht ganz toll wären. Sie sind bloß so wahnsinnig engagiert. Manchmal wäre ich gern ein bisschen mehr so wie sie.«
»Also ich hab ja in der Highschool nicht so viel von dir mitgekriegt, aber damals warst du auf jeden Fall eher auf ihrer Linie und nicht so wie jetzt, auf dieser - äh, Partyschiene.«
Mir fiel keine Antwort ein.
»Nein, so war das nicht gemeint«, fügte er rasch hinzu. »Ich hatte bloß den Eindruck, dass du immer bei so vielen ernsthaften Sachen mit dabei warst. Ich weiß noch, wie du mal in der Schülerzeitung einen Leitartikel über das Recht auf Abtreibung geschrieben hast. Eines Tages habe ich ein paar Lehrer im Hausaufgabenraum darüber reden hören - sie wollten nicht glauben, dass du erst in der Neunten warst. Daraufhin habe ich den Artikel gelesen und konnte ihnen nur zustimmen.«
Er hatte den Artikel gelesen und erinnerte sich daran. Mir lief ein kleiner Schauer über den Rücken; es war, als hätte sich plötzlich ein Band zwischen uns geknüpft.
»Ja, schon, aber es ist schwer, dabeizubleiben, vor allem, wenn es etwas ist, was du dir nicht selbst ausgesucht hast.«
»Wohl wahr.« Aus dem Augenwinkel sah ich ihn nicken. »Sie klingen aber doch interessant, deine Eltern.«
»Ach, du hast ja keine Ahnung. Zum Glück waren sie wenigstens jüdische Hippies und hielten als solche nicht viel von Selbstkasteiung. Mein Vater sagt immer, ob du nun aus ärmlichen oder wohlhabenden Verhältnissen kommst, das allein
macht dich nicht überzeugender - die Argumente zählen, nicht das materielle Drumherum.«
Er sah mich von der Seite an. Ich spürte seinen Blick und merkte, dass er mir aufmerksam zuhörte.
»Doch stimmt schon. Ich bin in einer Kommune in New Mexico geboren - dass das tatsächlich ein richtiger Bundesstaat ist, habe ich erst geglaubt, als ich ihn 2000 bei der Wahl auf der Landkarte von CNN entdeckt habe. Meine Mutter erzählt mit Vorliebe die Geschichte, wie sie mich in ihrem Ehebett zur Welt gebracht hat, in Anwesenheit sämtlicher Kommunekinder, die mit eigenen Augen sehen sollten, wie sich das Wunder eines neuen Lebens entfaltet. Keine Ärzte, keine Betäubungsmittel, keine sterilen Laken - nur ein Ehemann mit einem Abschluss in Pflanzenkunde, eine seelenvolle Hebamme, die mit Yogaatemtechnik arbeitete, der Guru der Kommune mit seinem Singsang und zwei Dutzend Kinder unter zwölf, die sich nach diesem wundersamen Erlebnis vermutlich bis weit über dreißig in Enthaltsamkeit geübt haben.«
Ich weiß nicht, wieso ich ihm das alles erzählte. Das hatte ich schon ewig nicht mehr gemacht - die Letzte, die die Geschichte gehört hatte, war vermutlich Penelope gewesen, damals, als wir uns bei der Orientierungswoche am College kennen lernten und sie mir im Gebüsch hinter den Tennisplätzen bei einem Joint anvertraute, dass ihr Vater die Leute aus seinem Büro besser kannte als seine Familie und sie bis zum Alter von fünf gedacht hatte, ihr schwarzes Kindermädchen sei ihre Mutter. Um sie aufzuheitern, kam ich mit meiner Story daher, die ihr zeigen sollte, dass ihre Eltern vollkommen normal waren. An jenem Abend lagen wir noch stundenlang kichernd im Gras, total bekifft und happy. Meine diversen Liebhaber hatte ich zwar immer brav zu Hause angeschleppt, aber so wie jetzt hatte ich noch nie mit jemandem über meine Eltern geredet. Bei Sammy konnte ich mich plötzlich total öffnen.
»Das ist ja nicht zu fassen. Und wie lange warst du in der Kommune? Kannst du dich noch daran erinnern?«
»Als ich ungefähr zwei war, kriegten meine Eltern beide Lehraufträge in Vassar und sind dann eben mit mir nach Poughkeepsie gezogen. Aber der Kommune verdanke ich meinen Namen. Erst wollten sie mich Angela nennen, nach Angela Davis, der schwarzen Bürgerrechtlerin, aber dann hat ihnen ihr Schamane oder sonst wer Bettina vorgeschlagen, zu Ehren von Bettina Aptheker, der einzigen Frau im Komitee der Bewegung für
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