Die Party Queen von Manhattan - Roman
vorbei, die in einer Ecke stand und leise vor sich hin weinte, aber durchaus nicht unfroh darüber zu sein schien, dass sie bei ihrer kleinen Szene Zuschauer hatte. Nachdem ich noch ein exotisches Pärchen umkurvt hatte, das unter heftigstem Körpereinsatz miteinander knutschte, stand ich wieder draußen. Den Türsteher, der sich sein abgegriffenes Taschenbuch vor die Nase hielt - Lady Chatterley (so ein alter Sexmolch!) -, behandelte ich wie Luft. Die Stra ße war wie ausgestorben, und zu allem Überfluss fing es auch noch an zu nieseln. Super. Damit stand fest, dass sich in absehbarer Zeit kein leeres Taxi blicken lassen würde.
»He, kann ich Ihnen helfen?«, fragte er, nachdem er drei gackernde Mädels auf Highheels eingelassen hatte. »Bei Regen findet man in dieser Gegend nur schwer ein Taxi.«
»Nein, danke. Ich komme schon allein zurecht.«
»Wie Sie meinen.«
Die Minuten fühlten sich wie Stunden an, und der warme Sommerschauer verwandelte sich in einen kalten Dauerregen. Was wollte ich mir - und ihm - eigentlich beweisen? Er drückte sich in den Eingang, um sich vor der Nässe zu schützen, und las ungerührt weiter, als ob er von der Sintflut, die auf uns niederging, nicht das Geringste mitbekam. Irgendwann blickte er grinsend hoch und sagte: »Ja, das sieht man, dass Sie allein zurechtkommen. So ist es richtig, zeigen Sie’s mir. Geben Sie sich nur ja keine Blöße. Sonst würde ich Ihnen womöglich noch einen Schirm leihen, damit Sie trockenen Hauptes bis zur Eighth Avenue kommen, wo Sie im Handumdrehen ein Taxi finden würden. Ich bin tief beeindruckt.«
»Sie haben einen Schirm?«, rutschte es mir heraus. Ich war nass bis auf die Haut, und die Haare klebten mir in triefenden, kalten Strähnen am Kopf.
»Mehrere. Speziell für Abende wie diesen. Für unsere Gäste ist uns nichts zu teuer. Aber ich darf wohl annehmen, dass Sie kein Interesse daran haben.«
»Dürfen Sie. Mir geht es prima.« Und für diesen Kerl hatte ich mich fast ein bisschen erwärmt? Kaum zu fassen. In dem Moment rollte eine Limousine vorbei, und mir kam eine Idee. Ich griff zum Handy.
»Guten Abend, hier spricht Bette Robinson, Kundennummer sechs-drei-drei-acht. Könnten Sie mir eine Limousine schicken?«
»Alles ausgebucht!«, fuhr mich eine ärgerliche Frauenstimme an.
»Warten Sie! Ich bin Stammkundin bei Ihnen und …«
Klick.
Ich stand buchstäblich da wie ein begossener Pudel und kochte vor Wut.
»Kein Wagen zu kriegen, hm? So ein Pech aber auch«, sagte er mitfühlend, ohne von seinem Buch aufzusehen. Ich hatte Lady Chatterley mit zwölf Jahren gelesen, als ich aus dem Aufklärungsbuch für Mädchen bereits alles Nötige über Sex wusste, aber ich konnte mich nicht mehr daran erinnern. Vielleicht, weil ich ein schlechtes Gedächtnis hatte. Oder weil Sex für mich seit zwei Jahren ein Fremdwort war. Es mochte aber auch daran liegen, dass die heißen Liebesschnulzen, die ich in meiner Freizeit so begeistert verschlang, alles andere überlagerten. So gern ich auch einen bissigen Kommentar über seine Lektüre abgegeben hätte, mir fiel keiner ein. »Kein Wagen zu kriegen«, pflichtete ich ihm seufzend bei. »Heute ist einfach nicht mein Tag.«
Er kam in den Regen heraus und reichte mir einen langen Stockschirm, der mit dem Logo des Clubs bedruckt war. »Nun nehmen Sie schon. Gehen Sie bis zur Eighth Avenue, und wenn Sie dann immer noch kein Taxi finden, wenden Sie sich an den Türsteher vom Serena. Sagen Sie ihm, dass ich Sie schicke, dann besorgt er Ihnen einen Wagen.«
Natürlich hätte ich auch hoch erhobenen Hauptes an ihm vorbeirauschen und die U-Bahn nehmen können, aber um ein Uhr nachts war dieser Gedanke alles andere als verlockend. »Danke«, murmelte ich und senkte den Kopf, damit ich seine triumphierende Miene nicht sehen musste. Ich nahm den Schirm und machte mich auf den Weg.
Fünf Minuten später saß ich in einem Taxi, pitschnass zwar, aber wenigstens warm.
Nachdem ich dem Fahrer meine Adresse genannt hatte, ließ ich mich erschöpft in die Polster sinken. Zu dieser nächtlichen Stunde waren Taxis nur für genau zwei Dinge gut: auf dem Rücksitz zu knutschen oder reihum die Freunde aus der Clique mit dem Handy anzurufen. Da für mich keine der beiden Alternativen
in Frage kam, lehnte ich den nassen Kopf an das Kunstleder, auf dem wohl schon viele ungewaschene Köpfe ihre fettigen Spuren hinterlassen hatten, schloss die Augen und freute mich auf den ungestümen Empfang, den Millington mir in
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