Die Party Queen von Manhattan - Roman
unschlüssig, ob Philip tatsächlich ihn gemeint hatte.
»Sei ein braver Bub und bring uns noch was zu trinken. Mädels, was nehmen wir? Schampus? Oder ein paar Wodka-Cocktails?«
Sammy sah aus, als hätte ihm jemand eine Ohrfeige verpasst. »Ich bin hier nicht der Kellner.«
Das fand Philip offenbar zum Schreien komisch, jedenfalls krümmte er sich vor Lachen. »Hol uns einfach was, Kumpel, ja? Wie genau das vonstatten geht, interessiert mich eher weniger.«
Ich wartete nicht ab, ob Sammy ihm eine reinhauen, ihn ignorieren oder ihm tatsächlich die Flasche Wodka bringen
würde. Eigentlich dachte ich nur daran, wie schön es wäre, jetzt gemütlich im Bett zu liegen und wie piepegal es mir war, ob P. Diddy nun einen oder hundert Gäste mitschleifte oder überhaupt nicht auftauchte. Wenn ich es mir genau überlegte, dann hatte ich in den letzten Monaten Tag und Nacht praktisch jede Sekunde mit einigen der übelsten Menschen verbracht, die mir je untergekommen waren, und nichts weiter vorzuweisen als einen Schuhkarton mit Zeitungsausschnitten, die nicht nur für mich, sondern auch für alle meine Lieben eine einzige Peinlichkeit darstellten. Ich stand da, sah zu, wie Philip für die Fotografen Fratzen schnitt, bekam über Kopfhörer weitere Krisenmeldungen herein, die klangen, als befänden wir uns kurz vor Ausbruch des dritten Weltkriegs, und dachte an Will und Penelope, an die Mädels vom Buchclub, an meine Eltern und, natürlich, an Sammy. Nahm, innerlich ruhiger als in all den Monaten zuvor, meinen Kopfhörer ab, legte ihn auf den Tisch und sagte leise zu Elisa: »Das war’s.«
Dann wandte ich mich Sammy zu, und wer Ohren hatte, konnte hören, wie ich zu ihm sagte: »Ich fahre nach Hause. Wenn du später noch vorbeikommen willst, fände ich das superschön. 145 East 28. Straße, Apartment 1313. Ich warte dann.«
Und bevor irgendwer seinen Mund auftun konnte, drehte ich mich um, ging quer über die Tanzfläche vorbei an einem Paar, das vor den Augen des DJs praktisch den Geschlechtsakt vollzog, stracks zur Tür, wo Menschenhorden sich im Takt der Musik wiegten. Aus dem Augenwinkel erspähte ich Kelly und ein paar LISTEN-Girls, die mit Leuten von P. Diddys Truppe flirteten; ich schaffte es ungesehen an ihnen vorbei hinaus auf die Straße. Die war nahezu komplett voll von Wartenden, weshalb niemand auf mich achtete. Nach einem halben Block hielt ich ein Taxi an und wollte gerade einsteigen, als ich Sammy meinen Namen rufen hörte. Er rannte auf mich zu und warf die Autotür wieder zu.
»Bette, mach das nicht. Ich komm da drin schon selbst klar. Geh wieder rein, und später reden wir dann über alles.«
Ich stellte mich auf die Zehenspitzen, um ihm einen Kuss zu geben, und hielt das nächste Taxi an. »Ich will da nicht wieder rein, Sammy. Ich möchte nach Hause. Wär schön, wenn wir uns später noch sehen, aber jetzt muss ich hier weg.«
Er wollte protestieren, doch da saß ich schon im Taxi. »Ich komme auch selber klar«, sagte ich, lächelte ihm zu und ließ diesen ganzen Albtraum von Albtraum hinter mir.
31
Halb drei Uhr morgens, und immer noch kein Zeichen von Sammy. Das Telefon klingelte in einem fort, aber Kelly, Philip und Avery konnten mir allesamt gestohlen bleiben. Ich hatte mich so weit beruhigt, um ein Entschuldigungsschreiben an Kelly aufzusetzen, und war um drei zu der Erkenntnis gelangt, dass Elisa - im Gegensatz zu Abby - nicht von Grund auf böse und hinterhältig war, sondern einfach nur krank vor Hunger. Als ich auch um vier noch keinen Pieps von Sammy gehört hatte, beschlichen mich die schlimmsten Befürchtungen. Irgendwann gegen fünf schlief ich ein, wachte ein paar Stunden später wieder auf und war den Tränen nahe, weil weiterhin nichts von Sammy zu hören oder zu sehen war.
Um elf Uhr vormittags rief er endlich an. Sollte ich überhaupt drangehen - ach was, vergiss es -, doch allein sein Name auf dem winzigen Display machte kurzen Prozess mit meiner Willenskraft.
»Hallo?« Es sollte locker hingehaucht sein, kam aber eher heraus wie das Röcheln eines Patienten kurz vor dem Luftröhrenschnitt.
»Bette, Sammy hier. Passt es gerade nicht so gut?«
Na kommt drauf an , hätte ich am liebsten gesagt. Rufst du an, weil du dich wegen gestern Abend entschuldigen oder vielleicht erklären willst, wieso du nicht vorbeigekommen bist? Denn falls das der Fall ist, würde es gerade wunderbar passen - dann mache ich dir ein locker-flockiges Omelett, massiere dir die wehen Schultern und
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