Die Party Queen von Manhattan - Roman
diese Zeiten sind vorbei.« Oder: »Bette, Darling, vor ein paar Jahren sahst du aus wie das blühende Leben, frisch, gesund und natürlich. Wo ist bloß dieser Look geblieben?« Wo er Recht hatte, hatte er Recht. Spätestens als der Knopf an meiner heiß geliebten Sevens-Jeans so tief in meinem Bauchfleisch versank, dass er nur noch zu ertasten war, konnte ich die Augen vor meinem Übergewicht nicht mehr verschlie ßen. Dass mich die Arbeitslosigkeit dünner machte, empfand ich als höchst aufschlussreich. Mein Teint wurde klarer, mein Blick strahlender, und zum ersten Mal seit fünf Jahren schmolz der Hüft- und Bauchspeck dahin wie Schnee an der Sonne, ohne dass ich deshalb obenrum wie ein Bügelbrett ausgesehen hätte. Das ließ nur einen Schluss zu: Gott hatte mich nicht für die Arbeit bestimmt. Aber weil ich mir natürlich nicht anmerken lassen durfte, wie sehr ich das Nichtstun genoss, spielte ich der Welt den zerknirschten, bekümmerten Trauerkloß vor. Und Simon fiel tatsächlich darauf herein.
»Ich glaube, dir würde jetzt ein Cocktail gut tun. Was kann ich dir mixen, Bette?«
Wie hätte er auch wissen können, dass ich mir schon seit einiger Zeit im stillen Kämmerlein das eine oder andere Gläschen zu Gemüte führte? Aber nicht etwa, um meine Sorgen zu ertränken, aus Verzweiflung oder gar Einsamkeit. Nein, es war die souveräne Entscheidung einer Erwachsenen. Warum hätte ich nein sagen sollen, wenn mich die Lust auf ein Glas Wein, ein Schlückchen Sekt oder einen vierfachen Wodka überkam? Ich war schließlich ein freier Mensch, der tun und lassen konnte, was er wollte. Anstandshalber tat ich aber lieber trotzdem so,
als ob ich eine Sekunde überlegen müsste, bevor ich sein Angebot annahm. »Einen Martini vielleicht?«
Ich hatte noch nicht ausgesprochen, da rauschte auch schon Onkel Will herein, der - im Gegensatz zu mir - von Tatendrang und Vitalität nur so strotzte. »Famos, famos!«, näselte er wie ein britischer Snob, eine Sprech- und Ausdrucksweise, die er sich bei der BBC abgelauscht hatte, seiner heimlichen Liebe unter den Fernsehsendern. »Simon, einen extratrockenen Martini mit Grey Goose und drei Oliven für unsere kleine Exbankerin. Darling! Ich bin ja so stolz auf dich!«
»Ach, ja?« Die Nachricht, die er mir vor ein paar Stunden aufs Band gesprochen hatte, hatte alles andere als begeistert geklungen. (»Bette, Darling, dein Spiel ist aus. Ich hatte gerade eine Büromaus am Apparat, die behauptet, an deinem Schreibtisch zu sitzen. Und da stellt sich mir doch die Frage, was du wohl gerade treibst. Ich hoffe, du sitzt beim Friseur und lässt dir Strähnchen machen. Oder hast du dir einen Lover zugelegt? Wir erwarten dich heute Abend Punkt sechs. Dann kannst du uns deinen Abgang in allen grausigen Einzelheiten schildern. Bitte halte dir auch den Rest des Abends frei, damit du uns zu einer kleinen Dinnerparty bei Elaine begleiten kannst.« Und klick .)
»Aber natürlich, Darling! Endlich hast du dieser grässlichen Bank den Rücken gekehrt. Du bist eine betörende Person, eine faszinierende Frau, ein Prachtmädel, und das alles hat dein langweiliger Job überhaupt nicht zur Geltung kommen lassen.« Er legte mir seine perfekt manikürten Hände auf die Hüften. »Was sehen meine alten Augen? Ist da etwa eine Taille? Mein Gott, Simon, die Frau hat ihre Figur zurück. Kaum zu fassen. Du siehst aus, als hättest du dir in den letzten Wochen an allen kritischen Stellen Fett absaugen lassen. Wie schön, dich wieder zu sehen, Darling!« Er prostete mir mit seinem Martini zu. (Die Cocktails hatte Simon gemixt, wie üblich. Will durfte nicht mehr an den Shaker, weil er allzu großzügig mit dem Alkohol umging.)
Mit der anderen Hand nahm er den grauschwarzen Wollhut ab, den er schon so lange trug, wie ich denken konnte.
Simon lächelte, erhob ebenfalls das Glas und stieß vorsichtig mit uns an, um nur ja keinen Tropfen des kostbaren Drinks zu verschütten. Ich ließ es etwas schwungvoller angehen und kippte mir dabei natürlich etwas auf die Jeans. Wenn ich allein gewesen wäre, hätte ich das Zeug vermutlich aus dem Stoff rausgelutscht. Ähem.
»So«, sagte Will. »Jetzt ist es also amtlich. Und was hast du als Nächstes vor? Dich journalistisch zu betätigen vielleicht? Für eine Modezeitschrift? Wie ich höre, sind bei der Vogue zurzeit ein paar Stellen frei.«
»Ich bitte dich«, seufzte ich. Musste er mir mit diesen Zukunftsfragen unbedingt die Laune vermiesen? »Ich bei der Vogue ?
Weitere Kostenlose Bücher