Die Patchwork-Luege
Arbeitsplatz zurückzukehren, worüber sich auch die Wirtschaft freut. Kritiker warfen von der Leyen vor, das Elterngeld subventioniere jene, die es überhaupt nicht nötig hätten und sich von dem Geld einen Familienurlaub in Australien gönnten.
Wer in Nordrhein-Westfalen lebt, ein Kleinkind hat und arbeiten möchte oder muss, hat ein gewaltiges Problem. Einen Krippenplatz gibt es nur für die wenigsten Kinder unter drei Jahren, da helfen auch Geldgeschenke nichts. Erst 2013, wenn der Ausbau der Betreuungsplätze in Deutschland auf 750 000 (Krippen, Tagesmütter, Betriebskindergärten) gestiegen ist, soll es einen Rechtsanspruch auf Betreuung geben.
Mitte Februar 2008 stellte Ursula von der Leyen den Familien Report 2009 vor und verkündete freudestrahlend, die Geburtenzahl sei auch 2008 dank ihrer Politik – Elterngeld und Krippenausbau – wieder gestiegen. Sie zog dafür die Zahlen von Januar bis September heran, die zum Jahresende dummerweise absackten und den positiven Trend umkehrten. Die Zahl der Neugeborenen lag 2008 bei etwa 675 000, dem zweitniedrigsten Wert seit Kriegsende. Die Bild-Zeitung fragte die ehemalige Familienministerin daraufhin: »Sind Sie mit Ihrer Politik gescheitert?«
Der Staat fördert die Patchworkfamilie und damit fördert er die Patchworkgesellschaft. Ein gravierender Schritt war die Reform des Unterhaltsrechts im Jahr 2008. Bis zu diesem Zeitpunk galt folgende Regelung: Falls das verfügbare Geld nach der Scheidung nicht für alle reichen sollte, hatte die geschiedene Frau zusammen mit den Kindern Vorrang vor der neuen Ehefrau ihres Exmannes. Die Unterhaltsrechtsreform hob nun die Kinder in den ersten Unterhaltsrang und verbannte die geschiedene Frau in den zweiten. Damit waren alle Ehefrauen, aktuell oder geschieden, gleichgestellt. »Es gibt kein Grundrecht aufmehrere Familiengründungen, das vom Staat oder Unterhaltsrecht subventioniert werden muss«, sagt die Anwältin. »Aber genau das geschieht.«
Die Neuerung verkaufte man als kinderfreundlich, was Unsinn ist, da nachehelicher Ehegattenunterhalt von der Steuer absetzbar ist, Kinderunterhalt nicht. Am Ende bleibt weniger Geld für alle. Die Idee dahinter ist klar: Frauen dürfen sich nicht länger darauf verlassen, in der Ehe versorgt zu sein. Kapieren sie das nicht von selbst, spüren sie es eben durch ein neues Gesetz. Sie sollen arbeiten, trotz Kindern, am besten sofort nach der Geburt wie die ehemalige französische Justizministerin Rachida Dati, die fünf Tage nach der Geburt ihres Kindes pflichtbewusst ihren Dienst antrat.
Frauen sind heute zurecht selbstbewusst und legen Wert auf Unabhängigkeit. Zahlreiche Umfragen belegen zweifelsfrei, dass sich ein Großteil der Frauen nicht vorstellen kann, ein Leben als Hausfrau und Mutter zu führen. Arbeiten, Erfolg, Bildung sind ihnen, wie bereits erwähnt, wichtig. Wichtig ist vielen aber auch, eine gewisse Zeit ihre Kinder großzuziehen. Das hat nicht das Geringste mit Gluckenhaftigkeit oder dem Wunsch zu tun, alte Rollenmuster zu stärken und ins 19. Jahrhundert zurückzukehren, es ist einfach eine Entscheidung für die Familie.
Die Unterhaltsrechtsreform ist Gift für die Familie. Eine Familiengründung stellt nun ein noch größeres Risiko dar, vor allem für Frauen. Frauen verdienen im Durchschnitt 23 Prozent weniger als Männer. Das ist einSkandal, gegen den die Frauen merkwürdigerweise nicht lautstark protestieren. Erziehen sie ein, gar zwei Jahre ihr Kind und sitzen nicht in Meetings oder Flugzeugen, ist die Karriere vorbei, und die Erwerbsbiographie bekommt einen Knick. Nach einer Scheidung droht ein tiefer Sturz. Basteln sie trotz Kindern weiterhin fleißig an ihrer Karriere, setzen sie sich einer Doppelbelastung aus, die das unzureichende Kinderbetreuungssystem nicht auffangen kann.
Die vielgerühmte freie Gestaltungsmöglichkeit unseres Lebens erweist sich für Frauen, die sich eine Familie wünschen, in der sozialen Wirklichkeit als Hohn. Sie können, überspitzt formuliert, zwischen Skylla und Charybdis wählen. Egal, wofür sich eine Mutter entscheidet, sie fühlt sich schuldig.
Das Institut Finanzen und Steuern warf der Bundesregierung Anfang des Jahres vor, sie betreibe »Familienpolitik mit der Gießkanne«. Sie gibt zwar sehr viel Geld aus, doch der Ertrag ist nicht der Rede wert, die Geburtenrate liegt hierzulande bei 1,36. Die familienpolitischen Maßnahmen, die selbst Experten nicht durchschauen, weil es mehr als 150 davon gibt, helfen jenen,
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