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Die Patchwork-Luege

Titel: Die Patchwork-Luege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Muehl
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Eltern ein gutes Gewissen zu machen.«
    Für Kinder ist eine Scheidung eine Tragödie. An der grundsätzlichen Haltung, die wir unseren Kindern mit einer Scheidung vermitteln, hat sich seit den achtziger Jahren nichts verändert, auch wenn wir entschlossen sind, das Gegenteil zu glauben.
    Es stimmt, dass die negativen Folgen auf die kindliche Entwicklung und das Erwachsenenleben bei Scheidungskindern in den achtziger Jahren, als die Betroffenen von ihrem Umfeld noch stigmatisiert wurden, gravierender waren als heute. Eine Studie von Paul R. Amato und B. Keith belegt allerdings, dass auch heute Kinder, denen eine Scheidung der Eltern erspart geblieben ist, in Bezug auf Selbstbewusstsein, Leistung und Sozialverhalten gegenüber Scheidungskindern im Vorteil sind.
    Scheidungskinder wachsen mit der Gewissheit auf, dass nichts von Bestand ist. In jedem Augenblick kann alles auf den Kopf gestellt werden. Die Familie, die ihnen Halt gab, Geborgenheit, Sicherheit, Zuflucht existiert plötzlich nicht mehr, die Kontinuität reißt ab. Sabine Walper von der Universität München fand heraus, dass für die meisten Kinder die Trennung ihrer Eltern unerwartet über sie hereinbricht, dass weder Mutter noch Vater etwas angedeutet hatte. Der Bruch markiert gleichzeitig das Ende der Familiengeschichte. Nichts ist mehr, wie es einmal war. Das ist ein Schock. Mit ihm verlieren Kinder ihr Urvertrauen. Die Behaustheit bekommt einen Riss, der sich nicht kitten lässt, manches Kind wird sich für immer einsam fühlen. Vielleicht ist das die tiefste Wunde, die die Erfahrung des frühen Verlassenwerdens hinterlässt.
    Von den zahlreichen Scheidungsmythen, an die wir glauben, um uns unseren Kindern gegenüber weniger schuldig zu fühlen, lautet einer, dass glückliche Eltern glückliche Kinder haben. Sind die Eltern unglücklich in ihrer Beziehung, ist eine Scheidung folglich im Interesse des Kindeswohls. Tatsächlich ist Kindern ziemlich egal, wie sehr die Eltern einander lieben und begehren, ob sie womöglich viel lieber neben einem anderen Menschen einschlafen oder sich noch einmal wie ein Teenager verlieben möchten. Ihnen ist es am wichtigsten, dass alles so bleibt, wie es ist, dass beide für sie da sind, gemeinsam.
    »Two Parents, Even Unhappy, Are Better« (Zwei Eltern sind besser, auch wenn sie unglücklich sind) lautet der Titel einer Studie von Paul Amato und Alan Booth. Das Ergebnis:Höchstens ein Drittel aller geschiedenen Paare waren derart verfeindet, dass auch den Kindern die Trennung gut bekam. Bei den verbleibenden 70 Prozent war die Scheidung traumatisch.
    Ein weiterer Mythos beruht auf der Annahme, dass eine Scheidung die Kinderseele zwar erschüttert, aber nicht auf lange Sicht prägt. Das Kind wird bald neue Zuversicht fassen, über die Trennung der Eltern hinwegkommen, wie es auch über die Windpocken hinweggekommen ist. Krisen, reden wir uns ein, müssen bewältigt und als Herausforderung akzeptiert werden, das festigt die Psyche, man wächst innerlich. Unsere Kinder halten wir für extrem anpassungsfähig, als seien sie widerstandsfähige Pflanzen, die man bedenkenlos einige Zeit sich selbst überlassen kann, ohne dass sie sofort eingehen. Solange man das Sorgerecht, die Unterhaltszahlungen und Besuchszeiten freundschaftlich aushandelt, fällt kein Kind tief. Der eigene Blick richtet sich hoffnungsfroh in die Zukunft; dieses Gefühl wird das Kind gewiss bald teilen.
    Erwachsene mögen eine Scheidung als Befreiung erleben. Kinder erleben sie als Albtraum. Während für die einen ein neues Leben beginnt, trauern die anderen dem alten nach.
    »Wenn sie sich als Erwachsene an ihre Kindheit erinnern, werden sie nicht an gemeinsame Feiern und Feste denken, sondern an Einsamkeit, Traurigkeit und Wut«, schreibt Wallerstein. Das Kind wird sich auch an die Flugreisen erinnern, die es mit sieben Jahren alleine absolvieren musste, um den Vater oder die Mutter zu besuchen.»Und es ist der Umstand, dass man nicht frei über seine Zeit verfügen konnte, dass man sich vorkam wie ein Mensch zweiter Klasse, verglichen mit den Freundinnen und Freunden, die in intakten Familien lebten und ein Wort mitreden durften, wenn es darum ging, was am Wochenende und in den Ferien unternommen werden sollte.«
    Dass Wallersteins Studie in Amerika durchgeführt wurde, wo sich die Forschung schon sehr viel früher als in Deutschland den Scheidungsfolgen zuwandte, ändert nichts an der Aussagekraft der Ergebnisse. Das Besondere an dieser Studie ist

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