Die Patin
eins für das Erosionsprogramm im Markenkern anderer Parteien steht also der Partner, mit dem man zu kooperieren soeben vertraglich zugesichert hat.
Auf Platz zwei bleiben die SPD-Wähler, in deren Revier die CDUKanzlerin schon länger unterwegs ist. Die Übernahmen von SPD-Identity-Themen wie dem Mindestlohn werden fein portioniert; erste kleine Schritte in der Großen Koalition, weitere und größere Schritte unter Schwarz-Gelb. Die Botschaft an SPD-Wähler lautet: «Wenn du die heiligen Kühe der SPD auf der Weide besuchen willst, dann findest du sie jetzt bei der CDU. Da kannst du zugleich dem Linksruck der SPD entgehen, ohne deine sozialen Lieblingsideen aufzugeben.»
Auf Platz drei im Wählerfangprojekt tauchen sie dann doch wieder auf: die Konservativen. «Die Bewahrung der Schöpfung ist ein konservatives Thema», so der CDU-Generalsekretär. Da muss man gar nicht von konservativen Menschen reden; das Thema ist konservativ.
Die Stammwähler der CDU stehen auf dem letzten Platz des Wählerfangprogramms. Sie wählen «nicht automatisch» CDU, meint der Generalsekretär Gröhe. Und für die «Weiterentwicklung» der CDU-Politik zu werben sei schon wichtig. Auch «erläutern» müsse man diese Weiterentwicklung. Einmal so im ganz Allgemeinen gelandet und von dem Unbehagen beschlichen, dass die Parteichefin auch künftig wenig erläutern wird, liefert Gröhe einen in sich völlig widersprüchlichen Schlusssatz ab: Die Stammwähler wüssten «sehr genau, dass Politik für ihre Kinder und Enkel den heutigen Lebensbedingungen gerecht werden muss.» Was will er damit sagen? Heutige Lebensbedingungen als Transferladung für die nächste und übernächste Generation? Geht es nicht gerade umdie schwierige Aufgabe, heute für die Lebensbedingungen derjenigen vorzusorgen, die dreißig oder fünfzig Jahre nach uns geboren werden?
Nehmen wir einmal an, dass der Vasall der Kanzlerin sich einfach nur schlecht gefühlt hat, während er die Klischees ablieferte, an die er selbst nicht glaubt.
Die Kanzlerin legt Wert auf eine Ergänzung ihres Abwerbeplans. Ihre Zielgruppe sind die Wechselwähler. Und wäre sie nicht ständig auf der Hut, dann hätte sie hinzugefügt: Von denen brauche ich immer mehr. Merkels flottierende Wählerherden im politischen Markt, die man mit einem kleinen kläffenden Hund hin- und hertreiben kann, heute so, morgen so. Das wäre ein Wunschbild von einer ganz neuen, immer noch tarnkappengeschützten Planwirtschaft, wo der Wettbewerb der politischen Leistungen und Versprechen keine Rolle mehr spielt, weil es nur noch eine Chefebene gibt, die keine Gegenspieler mehr hat, weil sie alle zu Mitspielern macht.
Das Programm zur Enteignung von Kernthemen anderer Parteien läuft auch in der schwarz-gelben Regierung weiter als CDU-Programm, wie schon in der Großen Koalition. Arbeitsministerin von der Leyen besetzt Mindestlohn, Hartz vier und Rente mit 67, ehemals klassische SPD-Projekte, und arbeitet mit ihrem überbesetzten Presseressort weiter an der Vermarktung ihrer zwischen den Parteien schwimmenden Beutestücke aus fremden Revieren und an ihrer eigenen Karriere.
Die sinkende Macht der Wähler
Die schwarz-gelbe Koalition von 2009 ist von Anfang an ein Paradox: eine Art ›Einparteien-Koalition› mit etwas gelbem ‹Gesinde›. Ihre persönliche Entourage hat die Kanzlerin als Boygroup auf die besten Plätze verteilt, wo unerschütterliche Demut belohnt wird.
Im Kanzleramt sitzt Ronald Pofalla, den auch eine extreme Entgleisung nicht aus der Kurve tragen konnte, weil die Kanzlerin «ihn noch braucht». Norbert Röttgen ist Umweltminister und sieht sich durchaus als Merkel-Nachfolger; Eckart von Klaeden wurde Staatsminister, PeterAltmaier, Geschäftsführer der Bundestagsfraktion, ist der Troubleshooter für die Medien, und Hermann Gröhe gibt den Generalsekretär. Ein Kreis der Günstlinge, die den hohen Wegezoll entrichtet haben, der in das Zentralkomitee der Kanzlerin führt. Sie alle haben das Motto dieser Kanzlerschaft begriffen, so dürfen wir vermuten: Es geht um Alleinherrschaft. Die Vorübungen für ein politisches System, das immer mehr Allparteien-Konsens praktisch erzwingt, indem immer mehr konsengefährdete Entscheidungen als staatstragend dargestellt werden, laufen beim Thema Euro ebenso wie bei EU-Vertragsbrüchen zugunsten neuer Verträge in immer rascherer Folge. Schon gewöhnen sich die deutschen Bürger an diese Form der Zentralverwaltung in Angelegenheiten, denen sie, freigelassen,
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