Die Patin
Emundts, www.tagesschau de , 15. September 2009.
53 Siehe dazu S. 84, 136–140, 154–164.
54 Die Zeit , 27. November 2008.
55 Siehe den Teil «Stunden der Wahrheit», S. 165ff.
56 Vgl. dazu www.fr-online.de/10-jahre-cdu-vorsitzende-merkel-der-stern-ueber-der-mitte
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P OLITLABOR D EUTSCHLAND –
E INE D EMONTAGE
Die schleichende Entmachtung der Parteien
Wenige Monate nach der gewonnenen Wahl, im Januar 2010, wagen die Stilkritiker des Systems M erste kleine Attacken. Nun, da die Chefin nicht mehr Gefangene beim Großen Bruder ist, sondern Herrin über ein Imperium mit einem verschwindend kleinen Partner, steigt die Gefahr von Alleingängen. Der sächsische CDU-Fraktionschef Steffen Flath warnt vor einem Zusammenhang, den zunächst nur Wenige verstehen: Der «präsidiale Stil» der Kanzlerin mache die Partei nicht stärker, sondern schwächer: Ihr Profil verliere an Prägnanz, so Flath und zwei weitere Autoren in der Frankfurter Sonntagszeitung . Konservative und wirtschaftsliberale Wähler seien abgewandert. 126
Die Attacke wird sich in den folgenden Regierungsjahren zu einer Grundmelodie der Merkel-Kritiker verdichten – und von der Führung, zumal von der Kanzlerin, selten und routiniert kommentiert werden. Ihr kann diese Zielrichtung von Angriffen auf ihren Regierungsstil nur recht sein; verdeckt sie doch den Klartext, den nur sehr wenige Beobachter lesen können: Es geht nicht um versprengte, zum Teil beim kleinen Koalitionspartner als Wahlhelfer für die CDU gelandete Wirtschaftsliberale und Traditionsfreunde; es geht vielmehr um einen lautlosen Umsturz in Richtung Allparteien-Regierung.
Für die Kanzlerin Merkel ist schon länger nicht mehr relevant, mit welcher Partei sie an die Spitze der Regierung gelangt; ihr Nachhaltigkeitskonzept für ihre Politkarriere ist die schleichende Entmachtung der übrigen Parteien. Schon in der Großen Koalition hatte der Thementransfer begonnen: Viel SPD-Politik, meinten einige Betrachter. Aber dieErfolge gingen an die CDU – häufig, wie im Ressort Familienpolitik, mit SPD-Bekenntnissen von CDU-Darstellern wie Ursula von der Leyen. Der sächsische Wortführer Steffen Flath stellt derweil Fragen aus der Parteienwelt, die im Kopf seiner Parteichefin in Berlin eine immer geringere Rolle spielt: «Wofür steht die CDU? Was ist mit dem christlichen Fundament? Was mit den wirtschaftsliberalen Positionen?», 127 fragt er. Die Kanzlerin könnte ihm antworten: Hab ich doch alles durchbuchstabiert, damals, in den ersten fünf Jahren nach 2000. Und der Umstieg war leicht: Als die Themen immer internationaler wurden, interessierte mich die Parteipolitik noch weniger. Für mich brachte die Krisenpolitik den Schub nach oben; nicht mehr nur Deutschland, nein Europa wurde meine Erfolgsstraße. Übernational, international, parteienneutral.
Folgerichtig gelang es nun immer häufiger, das deutsche Parlament zu Allparteien-Entscheidungen zu ermuntern: Zu wichtig, um nur von den Regierungsparteien entschieden zu werden, lautete der Aktenvermerk zu den Milliardenthemen. Endlich, so spürten viele Abgeordnete, häuften sich wieder mal die großen Stunden mit historischen Entscheidungen. Wer will da im Lager der Regierungsgegner angetroffen werden? Wenn es todernst wird, regieren alle. Notstand als Dauerzustand. Das Unbehagen schlich sich erst über Jahre heran. 2010 waren es nur die early birds aus der eigenen Partei, die Heimwehkranken, die vor Demokratieverlusten warnten. Im Gegenteil, so belehrte sie die Kanzlerin: Mehr Demokratie war nie. Nur leise Stimmen fragten: Brauchen wir nicht auch in der Politik den Wettbewerb? Wo bleibt die Opposition?
Die Kanzlerin könnte antworten: Auch sie ist schwächer geworden, der Klassiker früherer Jahrzehnte, Volkspartei gegen Volkspartei, SPD gegen CDU, und beide abwechselnd an der Regierung, im Notfall mal gemeinsam, wie jüngst, läuft so nicht mehr. Also müsse man sich ohnehin mit mehr Optionen beschäftigen, würde die Kanzlerin sagen, wenn sie jemals etwas dazu sagen würde. Aus der Großen Koalition sind beide «Volksparteien» geschwächt hervorgegangen. Die Selbstdarstellung,inklusive fremdem Federschmuck, ist aber der CDU besser gelungen. Die Konstellation für die nächste Partnerschaft ließ Merkel zu, weil sie im Wählergedächtnis für einen guten Mix aus Markwirtschaft und Werte-Reminiszenzen verankert war.
Die Kanzlerin selbst war am
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