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Die Patin

Die Patin

Titel: Die Patin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gertrud Höhler
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eigentlich nicht zustimmen würden.
    Schon auf den ersten Metern nach der gewonnenen Wahl von 2009 aber hätten die regierungsnahen CDU-Leute staunen müssen, wie untypisch der Start in eine sogenannte Wunschkoalition vonstatten ging. Die Kanzlerin der Großen und nunmehr im Handling höchst bequemen «Kleinen» Koalition hatte die Formel «Wunschkoalition» aber nie benutzt. Warum war das niemandem aufgefallen? Weshalb kam nirgends in der Führungsspitze der Partei die Frage auf, ob die Vorsitzende mit dieser Koalition ganz andere Ziele verbände, als die gesamte Wählerschaft von CDU und FDP annahm? Fuhr die Kanzlerin vielleicht schon länger, und komplett undercover , ein ganz anderes Modell für Deutschlands Zukunft, das mit einzelnen Parteien so wenig zu tun hatte wie das internationale Standing einer Staatschefin, die das Zaudern zur Kardinaltugend geadelt hatte, weil sie nie durch entschiedene Taten auffiel?
    Schon der Profilverlust der Union in der Großen Koalition fand im CDU-Lager keine mutigen Interpreten. Wer versucht hätte, das Gesamtbild der beiden Volksparteien nach ihrer gemeinsamen Regierungszeit vorurteilsfrei zu verstehen, der hätte zuerst gesehen: Beide gehen geschwächt aus der gemeinsamen Verantwortung hervor. Liegt das nur am Themenklau der CDU bei der SPD? hätte man furchtlos weiterfragen müssen. Oder, wenn es beide Parteien trifft, gilt neben den alten Regeln wechselseitiger Abnutzung der Profile ein neues Gesetz, das wir bisher nicht kannten? Vielleicht ein Gesetz, das mit dem Politikstil der Kanzlerindieser Koalition zu tun hat? Marginalisierung von Parteiprogrammen? Planmäßige Überlagerung von nationalen Erfolgsstrategien durch übernationale, in denen die regierenden Parteien einzelner Staaten keine große Rolle mehr spielen? Und dient die Enteignung von Themen des Gegners im eigenen Land, der für vier Jahre zum Partner wird, vor allem einer Mischtechnik von geistigem Eigentum der einzelnen Parteien, die dann von Wahl zu Wahl die «Angebote» der Parteien an die Wähler immer verwechselbarer macht?
    Dass ihre Kanzlerin für sich ein Karrieremodell verfolgt, das diese neue Mengenlehre braucht, können nur unabhängige Köpfe zu denken wagen, die auch die Folgerung nicht fürchten: Das Modell vom unauffälligen Verschwinden der Partei-Grenzen ist nichts anderes als ein zentralistisches Konzept, das die Bündelung aller Partei-Interessen an einer höchsten Stelle vorsieht, wo jeder sich irgendwie aufgehoben sieht, wie es in zahlreichen Allparteien-Entscheidungen seit Jahren trainiert wurde.
    Parteileute wollen dieses Modell noch nicht denken. Und je länger die Regierungschefin allein ist mit diesem Ziel, desto sicherer wird die Akzeptanz einer Szenerie, in der die Gegensätze früherer Jahrzehnte belanglos werden, weil die Welt im Ganzen so kompliziert geworden ist.
    Wie konsequent der zentralistische Unterstrom in der deutschen Politik von einer Koalition zur nächsten aus der deutschen Führungsetage gespeist wurde, hätte der furchtlose Beobachter auf der Suche nach Durchblick schon in den Koalitionsverhandlungen mit dem «Wunschpartner» FDP wahrnehmen müssen. Da wurde eine ganz eigenwillige Version von Kontinuität verfolgt, die klägliche Kompromisse aus der ungeliebten Großen Koalition gegen den neuen «Wunschpartner» verteidigte, als handle es sich um Ergebnisse, die auch in der neuen Konstellation und vom neuen Partner verteidigt werden müssten. Der Unterstrom der Allparteien-Akzeptanz wurde also gezielt, nicht zufällig genährt.
    Dass die Rettung in Richtung Regierungsmehrheit mit dem kleinen gelben Partner überhaupt erreicht wurde, kann als Glücksfall bestaunt werden. Wichtiger aber für unser Bild vom Wähler und seiner sinkenden Macht ist die organisatorische Seite dieses Glücksfalls. DasWahlergebnis der FDP kam ja nur zum kleinsten Teil von FDP-Wählern. Es entsprang einer spontanen Koordination verschiedenster Wählergruppen, die entschlossen waren, den Kurs der Regierung zu verändern. Die 14,3 Prozent der FDP am Wahlabend 2009 kamen von Bürgern, die an ihren Einfluss als Wähler glaubten. Das ist das eine. Das andere aber: Diese Bürger glaubten auch – noch? – an Parteienprofile, die mit Versprechen verknüpft waren. Wie lange wird das noch so sein? Wird der Anteil «zentraler» Führungsversprechen von einer politischen Chefetage aus, die den Wählern aus vielerlei informellen und anlassgebundenen Quasi-Koalitionen bekannter ist als unter einem

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